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Angelica Domröse: Mit Petticoat, engem Pulli und Pferdeschwanz zum Film

Seit dem Tod ihres Mannes Hilmar Thate vor zwei Jahren ist es still um Angelica Domröse geworden. Am 4. April feierte die Schauspielerin ihren 77. Geburtstag. Die „Berliner Pflanze“ gehört zu den auserwählten Größen des deutschsprachigen Films der letzten hundert Jahre, die einen Stern auf dem „Boulevard der Stars“ am Potsdamer Platz bekommen haben. Ihre Karriere begann vor 60 Jahren mit der DEFA-Liebeskomödie „Verwirrung der Liebe“.

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Im April 2011 wurde Angelica Domröse mit einem Stern auf dem Berliner „Bolulevard der Stars“ geehrt. Ihr Mann Hilmar Thate starb im September 2016. Quelle: SUPERillu ©Adolph Press/Welscher

Mancher mag für sie  für divenhaft, kapriziös halten, was Ausdruck ihres Anspruchs ist, den sie sich im Laufe ihres Lebens erarbeitet hat. Hartnäckig, unbeirrbar. „Ich bin in der Banalität groß geworden, aber ich hatte immer eine tiefe Abscheu dagegen.“ Sie wollte weg aus diesem Milieu. Studieren, Filme machen. Mit 14 Jahren schon hatte sie diese ganz feste Lebensvorstellung. Heute kann jeder sehen, dass sie sich ihre Träume erfüllt hat. Auf dem Berliner „Boulevard der Stars“ glänzt ein goldener Stern mit ihrem Namen, neben anderen Filmgrößen wie Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Romy Schneider, Hanna Schygulla, Billy Wilder, Rainer Werner Fassbinder. Nicht zuletzt wegen solcher Filme wie dem DEFA-Kultstreifen „Die Legende von Paul und Paula“ oder „Die zweite Haut“ und „Hanna von acht bis acht“  sowie ihrer herausragenden Theaterleistungen. Sie spielte am Berliner Ensemble die Hure Betty in der „Dreigroschenoper“ und die Näherin Babette in Brechts Parabelstück Die Tage der Pariser Commune“. 1966 wurde Angelica Domröse in der DDR zur „Besten Schauspielerin des Jahres“ gewählt. Im selben Jahr wechselte die damals 25-Jährige zu Benno Besson an die Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz und wurde als Cleopatra“ und Die schöne Helena“ gefeiert. In einer Inszenierung von George Tabori brillierte sie 1987 als „Stalin“ und 2001 mit ihrem Mann Hilmar Thate im Theater am Kurfürstendamm in „Josef und Maria“.

Sie war gerade mal 17 Jahre, als sie bei Slatan Dudow in ihrer ersten Filmrolle vor der Kamera stand und noch heute bezaubert sie als Siegi in der DEFA-Liebeskomödie „Verwirrung der Liebe“ mit einer Mischung aus unschuldiger Naivität und verführerischem Sexappeal. In einem Interview mit mir blickte Angelica Domröse noch einmal hinter die Kulissen von damals.

Angelica Domröse
 Schauspielerin Angelica Domröse im Spetember 2010 ©Jürgen Weyrich

Welche Erinnerungen haben Sie  noch an jenen Mai 1958?
Er war aufregend. Ich hatte in der „Berliner Zeitung“ eine Annonce entdeckt, mit der die DEFA für eine Hauptrolle in einem heiteren Spielfilm eine natürliche, fröhliche 16- bis 20-Jährige suchte, Größe ca. 1,60.  Für mich war klar: Die meinen mich!

Wie Sie dachten 1500 Mädchen…
Natürlich, solche Annoncen erschienen ja nicht jeden Tag. Das war etwas Besonderes. Am Tag der Vorstellungsgespräche saßen Hunderte Mädchen in der S-Bahn zum Griebnitzsee. Wie eine Schar Gänse sind wir den Weg zum DEFA-Studio geflattert.

Und wie hat diese Schar versucht, den Regisseur zu beeindrucken?
Wir haben alle unsere Vorzüge hervorgehoben (lacht). Hatten die Taille ganz eng geschnürt, Petticoats unterm Rock, enge Pullis, die langen Haare offen oder als Pferdeschwanz. Ja, und dann saßen wir da und warteten. Regisseur Slatan Dudow hat mit jedem Mädchen gesprochen.

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Regisseur Slatan Dudow mit Angelica Domröse und Stefan Lisewski bei den Dreharbeiten für die Hochzeitsszene in „Verwirrung der Liebe“ 1958 ©DEFA-Stiftung/Icestorm/E. Neufeld

Wie war Ihr erster Eindruck vom Studio?
Das war alles gigantisch für mich und neu. Respekteinflößend. Und es hat mich angezogen. Aber es ist alles mehr über den Bauch gegangen als über den Intellekt. Ich war ein Kinofreak, sah auch gern Theaterstücke. Aber es hatte mich eigentlich nie interessiert, wie das zustande kommt. Schmerzliche Erfahrung habe ich erst beim Drehen gemacht.

Was ist passiert?
Szenen, die wir oft geprobt haben, sind mir beim Drehen dann sehr schwer gefallen. Da gab es einen Tag, an dem ich anfing zu weinen. Mich hat plötzlich die Stille im Atelier gestört, als es hieß: Kamera läuft, Ton ab. Ich hörte mich selbst. Alles war auf mich fokussiert. Das hat mir Angst eingejagt. Dudow hat dann alle aus dem Atelier geschickt und mich ausheulen lassen. Es war für mich mit einem Mal ganz schwer, auf die Rolle zu kommen. Später habe ich das beim Theater öfter erlebt, dass ich nach der xten Vorstellung vollkommen neben der Rolle lag. Und das ist die Schwierigkeit in unserem Beruf: die Abrufbarkeit des Handwerklichen, die Genauigkeit beim Spiel und gleichzeitig muss es wie gerade geboren wirken.

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Für die Zeitungen waren Sie die Favoritin. „Junge Welt“ und „Filmspiegel“ schrieben über Sie. Warum hat sich Slatan Dudow für Sie entschieden?
Er hat es mir später mal gesagt.  Ich hatte die unschuldige Naivität und Natürlichkeit, die er sich für die Rolle der Siegi vorgestellt hatte. Es ist eben etwas anderes, wenn eine 17-Jährige vor der Kamera steht, die noch nie gedreht hat, als wenn es eine 25-jährige Schauspielerin ist. Und dass ich die Rolle bekam, verdanke ich auch Annekathrin Bürger. Sie spielte die Kunststudentin Sonja, deren Freund sie beim Fasching mit Siegi  verwechselt. Das ist ja der Ausgangpunkt der Geschichte. Und ich hatte die gleiche Statur wie sie.

Wurde Slatan Dudow nicht ungeduldig, wenn Sie beim Drehen nicht auf die Rolle kamen?
Nein, überhaupt nicht. Er hat auf mich geachtet wie auf ein rohes Ei. Ich habe ihm wirklich viel zu verdanken. Wenn er sich nicht bei der Filmhochschule für mich verwendet hätte, wer weiß, ob sie mich überhaupt genommen hätten.

Sie standen mit renommierten DDR-Schauspielern – außer Annekathrin Bürger waren das Ulrich Thein, Stefan Lisewski, Willi Schrade und Marianne Wünscher – vor der Kamera. Hatten Sie keine Hemmungen?
Meine Idole waren Weltstars aus  französischen und amerikanischen Filmen. Die Schauspieler, mit denen ich in dem Film spielte, kannte ich gar nicht. Ich sage das ohne Arroganz. Mich hat bis dahin künstlerisch niemand geleitet. Dudow war der Erste, dann  war es die Schauspielschule. Danach lernte ich am Berliner Ensemble und bei Benno Besson in seiner großen Zeit an der Berliner Volksbühne was Qualität und was Mist ist.

Wie reagierte Ihre Mutter darauf, dass Sie ausgewählt wurden?
Sie hat Sekt gekauft und mit mir und dem Produzenten angestoßen. Sie musste ja den Vertrag unterschreiben, da ich minderjährig war. Ich weiß noch, wie ihre Hand gezittert hat…

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Mit der Verwechselung der Produktionsarbeiterin Siegi auf dem Fasching der Kunsthochschule beginnt die „Verwirrung der Liebe“ ©DEFA-Stiftung/Icestorm/E. Neufeld

Warum wollten Sie eigentlich Schauspielerin werden?
Das Kino spielte in meiner Kindheit und Jugend eine enorme Rolle. Ich bin fast jeden Tag ins Kino gerannt, habe mir auch Filme zehnmal angesehen. Das war meine Lebensschule, so wie die Straße. Ich war eine Asphaltassel, bin in den Berliner Trümmern großgeworden. Als ich klein war, habe ich bei einem traurigen Filmende immer gedacht: Wenn du morgen ins Kino gehst, ist der Schluss besser. Und ich war ganz traurig, dass es wieder wie vorher ausging. Mit vierzehn, fünfzehn hatte ich dann schon eine feste Vorstellung von meinem Leben. Ich wollte raus aus dem Milieu, in dem ich lebte, studieren.  In den 50ern war das etwas Besonderes, Student zu sein.

Wie haben Sie denn gelebt?
Meine Mutter verkaufte Fahrkarten am S-Bahnhof Nordbahnhof, mein Stiefvater war Eisenbahner. Es war für mich nicht schön zu Hause. Ich wollte auf Leute mit anderen Interessen treffen. So kam es auch.

Sie waren Sachbearbeiterin beim Deutschen Innen- und Außenhandel. Und plötzlich standen Sie – gerade mal 17 – vor einer Filmkamera. Wie war das, als Sie für „Verwirrung der Liebe“ an der Ostsee die Nacktszene gedreht haben?
Ich hatte da keine Hemmungen. Die Kamera war weit weg. Damit hatte Dudow mir die Scheu genommen. Ihm schwebte bei der Szene, als ich aus dem Wasser steige,  Botticellis „Geburt der Venus“ vor.  Nun hatte ich damals keine Ahnung, wie die aussah noch wer Botticelli war.

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Angelica Dömrose und Willi Schrade als Liebespaar, dessen Herzen eigentlich anderen gehören ©DEFA-Stiftung/Icestorm/E. Neufeld

Wo wurde gedreht?
An einem FKK-Strand an der Ostsee. Wir waren angezogen, die Urlauber nackt. Das ging natürlich nicht. Wenn wir drehen wollen, hat der Produktionsassistent durchs Megaphon gerufen: Alles anziehen! Die Statisten, die meisten waren Urlauber,  stöhnten. Nach dem Dreh hieß es dann: Sie dürfen sich wieder ausziehen! Das war absurd. Wie surrealistische Malerei. Einige Szenen wurden im Studio gedreht, weil am Strand nicht das richtige Licht war. Dafür wurde tonnenweise Ostseesand ins Studio nach Babelsberg gebracht.

Nach diesem Film ging es für Sie Schlag auf Schlag weiter?
Ich bin in eine Zeit geraten, in der das Fernsehen explodiert ist. Mit Filmen wie „Papas neue Freundin“ und „Vielgeliebtes Sternchen“ entstand auch eine große Popularität.

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Filmszene mit Erwin Geschonneck 1966 in der DEFA-Komödie „Ein Lord am Alexanderplatz“ © DEFA-Stiftung/E. Schweda, H. Wenzel

Mit Erwin Geschonneck drehten Sie 1966 „Ein Lord am Alexanderplatz“.
Ich habe den Film wegen des Geldes gemacht. Am Theater, ich war damals am Berliner Enselmble, verdiente man nicht viel. Obwohl es die Weigel nicht gern sah – Film war für sie Afterkunst – wollte ich drehen. Das war mein Spielbein. Mein Standbein war das Theater. Immer. Mit Geschonneck zu spielen war ein großes Vergnügen. Ich hatte gehört, was für tolle Rollen er am BE gehabt hatte. Man bekommt  – auch wenn man so jung ist schon mit – wer Gewicht hat. Privat war er sehr lustig. Geschonneck hatte stets Stullenpakete mit, Kaffee in einer Thermosflasche  – und einen Klappstuhl. Darüber habe ich immer lachen müssen. Heute verstehe ich ihn. Eh‘ du fragst: Wo kann ich mich mal hinsetzen, sorgst du besser selbst für dich.

Sie wurden bejubelt und hoch geehrt. Was letztlich auch an Ihre Substanz ging.
Ja, kein Erfolg ohne Misserfog. Keine Lust ohne Schmerz. Ich weiß, dass mir der Beruf sehr viel gegeben hat. Durch ihn habe ich zur Literatur, zur Malerei, zur Architektur gefunden. Ich habe Menschen getroffen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Habe Länder gesehen, in die ich vielleicht nie gekommen wäre. Es ist ein ganz wunderbarer Beruf, und ich bin dem außergewöhnlichen Dudow dankbar, dass er mir das Tor dahin aufgemacht hat. Aber man muss auch mal loslassen können und mit der Biologie gehen. Mit über 70 ist doch klar, dass der größte Teil der Lebenszeit, in dem man gearbeitet und geliebt hat, mal oben, mal unten war, hinter einem liegt. Der Rest ist sehr kostbar. Ich nutze ihn nur noch für mich.

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Von Brecht bis C. U. Wiesner – zum Tod von Stefan Lisewski

Es macht traurig. Schauspieler Stefan Lisewski ist tot. Er starb am 26. Februar im Alter von 82 Jahren. Unerwartet für alle. Ich habe ihn weniger auf der Bühne des Berliner Ensembles erlebt, wo er in nahezu allen Brecht-Stücken Hauptrollen spielte, als vielmehr in zahlreichen DEFA- und Fernsehfilmen. Rothaarig, sportliche 1,90 Meter hochgewachsen und mit einer einprägsamen, ausdrucksstarken Stimme, war er ein besonderer Typ. Überzeugend in seinen künstlerischen Darstellungen und von Kollegen, insbesondere Filmpartnerinnen, zudem wegen seiner humorvollen Art, seiner Jungenhaftigkeit besonders gemocht. „Mit ihm zu drehen war stets ein Vergnügen“, erinnerte sich Annekathrin Bürger in einem unserer vielen Interviews. In den Erinnerungen an ihren ersten Film „Verwirrung der Liebe“ (1959) verriet mir Angelica Domröse, dass ihr Stefan Lisewski imponiert habe. „Er hat am BE gespielt!“

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Stefan Lisewski 2009 beim Filmtreff in Quedlinburg c/o Hans-Jürgen Furcht

Da, wo sie hin wollte, gehörte Lisewski von 1957 an zu den wichtigsten Schauspielern. Mit der Übernahme der Intendanz des BE durch Claus Peymann 1999 schied er – inzwischen 65 Jahre – aus dem Ensemble aus. Doch er blieb dem Theater bis zu seinem Tod verbunden. Mehr als 500 Mal hat er als Mackie Messer in der „Dreigroschenoper“ das Publikum im Theater am Schiffbauerdamm und bei Auslandsgastspielen wie in Griechenland und Italien begeistert. Man sah den Charakterdarsteller in „Mutter Courage und ihre Kinder“, „Die Gewehre der Frau Carrar“, in „Das Leben des Galiliei“, „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ oder im „ Kaukasischen Kreidekreis“. Noch am 21. Februar verkörperte er den Dogsborough in Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Weit mehr als 300 Mal stand er in dieser Rolle in der Inszenierung von Heiner Müller seit der Premiere 1995 auf der Bühne.

Ursprünglich war das Theater, die Schauspielerei nicht Lisewskis Lebensziel. Geboren am 6. Juli 1933 im polnischen Tczew (Dirschau), war er, elfjährig, mit seiner Familie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wie viele deutsche Umsiedler aus Pommern in Schwerin gelandet. Als Statist am Theater frönte er schon als Schüler seiner Leidenschaft fürs Schauspielen. Als ernsthaften Beruf für sich sah er das aber nicht. Er wollte Hütteningenieur werden und bewarb sich nach dem Abitur an der Bergakademie Freiberg. Doch die Lust zum Spielen war stärker, und so sprach er an der Berliner Schauspielschule vor – und wurde abgelehnt. Er ging als Praktikant ins Schwermaschinen-Kombinat Magdeburg und arbeitete dort am Schmelzofen.

Die Bühne lockte den damals 20-Jährigen jedoch sehr. Immer wieder übernahm er am Theater der Stadt Komparsenrollen und startete 1955 einen neuen Versuch an der Berliner Schauspielschule. Es klappte. Sein zweieinhalbjähriges Studium schloss er 1957 während der Dreharbeiten zu seinem ersten Film, „Das Lied der Matrosen“, ab und erlangte anschließend ein Engagement am Berliner Brecht-Ensemble. Er hat noch mit Helene Weigel und Ernst Busch zusammen gearbeitet und war sehr dankbar für die großartige Zeit, die ihn über die Grenze der DDR hinaus in die ganze Welt geführt hat, wie er in einem Interview zu seinem 70. Geburtstag sagte.

Ich weiß nicht mehr, in welchem Film ich Stefan Lisewski zum ersten Mal gesehen habe. Es könnte „Das Lied der Matrosen“, der Musikfilm „Eine Hand voll Noten“ oder „Maibowle“ gewesen sein. Mittags, in einer der Halbzwei-Uhr-Testsendungen des DDR-Fernsehens in den 60er Jahren. Vielleicht war es auch „Die Jagd nach dem Stiefel“, ein Kinderfilm von Konrad Petzold, oder „Chronik eines Mordes“.

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Jedenfalls hat er sich mir eingeprägt. Sein Gesicht, seine Stimme, die ich sofort im Ohr habe, wenn ich den Namen höre oder lese. Auch Szenen, wie die mit Hildegard Alex beim Versuch zusammen in eine Badewanne zu steigen. Was praktisch ein Ding der Unmöglichkeit war, denn der Einsneunzig-Mann passte ja allein schon kaum hinein. „Wir hatten viel Spaß beim Probieren, wie das gehen soll“, erzählte mir Hilde Alex, als ich ihr meine Erinnerung einmal schilderte. Ich glaube, die Fernseh-Reihe hieß „Rund um die Uhr“. Das Komödiantische war die andere Seite des Charakterdarstellers, die populäre, die ihn beim Publikum so beliebt machte.

In den 70er und 80er Jahren hat der Schauspieler das Filmen zugunsten des Theaters zurückgefahren und sich mehr oder weniger auf Rollen in Kinderfilmen beschränkt. Diese Arbeit machte dem zweifachen Vater und Großvater sehr viel Freude. Regisseur Günter Meyer fand in dem Hünen die ideale Besetzung für den Riesen Otto in seiner Fernsehserie „Spuk unterm Riesenrad“, Drehbuch „Eulenspiegel“-Autor C. U. Wiesner.

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Die Autorin mit Stefan Lisewski (M) im August 2013 im Treptower Park sowie mit Regisseur Günter Meyer (r.) und den Filmkindern Katrin Raukopf (2.v.r.) und Henning Lehmbäcker. c/o Boris Trenkel

Ihr verdanke ich, dass ich Stefan Lisewski im August 2013 persönlich kennenlernen durfte. Natürlich im Treptower Park unterm Riesenrad. Sein voller roter Haarschopf war ergraut, und es ging dem Schauspieler auch nicht gut. Er kämpfte mit Atemnot, aber seinen Humor hatte er nicht verloren. An den Film hatte er glänzende Erinnerungen. „Der ist losgegangen wie eine Rakete. Und geht es noch. Als ich jetzt längere Zeit im Krankenhaus war, haben mich die Schwestern kurz vor der OP gefragt: „Sind Sie nicht der Riese?“ – Erwachsene Leute, die damals Kinder waren. Es war ja auch eine tolle Geschichte dadurch, dass die uralten Märchenfiguren mit dem prallen Leben der DDR konfrontiert wurden. Daraus ergab sich wundervoll Satirisches. Wenn man älter wird und mal Revue passieren lässt, was man so gemacht hat, gehört das mit zu den schönsten Arbeits- und Urlaubserlebnissen, die ich hatte. Wir haben im Harz gedreht, auf der Burg Falkenstein. Wir haben an der Rappbodetalsperre gewohnt. Das war toll. Und wenn wir nachts gedreht haben, sind wir früh zu einem Bauern gefahren und haben warme Milch getrunken.“

Es war so einiges passiert bei den Dreharbeiten, das ihm im Nachhinein ein Schmunzeln ins Gesicht zauberte. „Auf dem Hexentanzplatz sollte ich auf ein fahrendes Auto springen. Das hat meinen sportlichen Ehrgeiz angestachelt. Aber es real zu versuchen, wäre dann doch zu gefährlich gewesen. Deshalb wurde es am Schneidetisch geschickt zusammenmontiert.“ Für die Anfangsszenen, in denen der Riese groß ist, hatte Stefan Lisewski bei einem Artisten Stelzen laufen gelernt. „Günter Meyer fand mich mit meinen 1,88 noch zu klein als Riese. Ich musste auf einen Stuhl steigen, damit er sehen konnte, wie das mit Stelzen sein würde.“

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Die Geister in der Spree. Szene aus der Serie „Spuk unterm Riesenrad“

Dass er bei der Flucht der Geister mit Boot auf der Spree einen Moment Todesangst hatte, ist auch so eine Geschichte. In der Hektik, die Szene noch vor Sonnenuntergang „in den Kasten“ zu kriegen, hatte niemand an die Eisengewichte in dem Ruderboot gedacht, die als Lastenausgleich für die Schauspieler, insbesondere den schweren Stefan Lisewski, in den Bug gelegt worden waren. Als das im Film nicht zu sehende Motorboot den Geisterkahn am Schlepptau in Bewegung setzte, neigte sich plötzlich der Bug des Ruderboots gen Wasser, immer tiefer, bis es schließlich versank – und mit ihm die Geister. „Ich hatte einen schweren Schafspelz an, der sich voll Wasser sog. Katja Paryla, die Hexe, und Siegfried Seibt, Rumpi, konnten ja schwimmen in ihren Sachen, ich nicht. Da war mir schon komisch, bis ich merkte, ich habe Boden unter den Füßen. Wir standen auf einer Sandbank mitten in der Spree.“ Mit seinem trockenen Witz würzte er als Hausmeister den „Spuk im Hochhaus“ und wirkte als Graf Bärenfels auch in der Serie „Spuk von draußen“ mit.

Für das Berliner Ensemble werden die Inszenierungen mit Stefan Lisewski wichtige Abschnitte in der Geschichte des Theaters sein. In seinen großen wie kleinen Filmrollen wird er lebendig bleiben, sich den vielleicht auch nachfolgenden Generationen einprägen.