Annekathrin Bürger: Liebe macht schön

Neulich kam ein schwerer Brief mit der Post. Von Annekathrins Schwägerin, der Bildhauerin und Dichterin Christine Rammelt-Hadelich. Im ersten Moment hatte ich keine Ahnung, was sie mir schickt. Dann fiel mir ein: Die beiden hatten vor, einen Gedichtband zu veröffentlichen. Und den hatte ich nun in der Hand und wollte erst mal nur durchblättern. Ging nicht. Ich blieb hängen an den Versen über die „Weisheiten der Liebe“. Leichtes und Schweres, Trauriges und Schönes sind in eine schöne Sprache gefasst und illustriert mit empfindsamen und frechen Federzeichnungen von Olaf Rammelt, dem Bruder der Schauspielerin.Harlekin-m-Mädel-Tanz

Dass Annekathrin eine Schauspielerin mit vielen Facetten ist, hat sie in DEFA-Filmen gezeigt, die heute Kult sind: „Berliner Romanze“, 1956, „Königskinder“ mit Armin Mueller-Stahl, 1962, „Hostess“, 1975 unter der Regie ihres Mannes Rolf Römer, der auch ihren Partner spielte, in Fernsehfilmen wie „Wolf und unter Wölfen“, 1965, „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“, 1980.

Boris Trenkel fotografierte Annekathrin Bürger und Bärbel Beuchler in Ahrenshoop

Oder das 1990 gedrehte DFF-Drama „Der Rest, der bleibt“. Die Geschichte einer Romanze zwischen einer 45-jährigen Chansonette und einem 20 Jahre jüngeren Mann. Etwas, das ihr nicht fremd ist. Ihren selbstironischen Blick auf die Angelegenheit hat sie in amüsante Verse gefasst.

Warum eigentlich?

Kennst du das Gefühl
Wenn du neben einem sitzt
Und die Luft wird plötzlich zu dünn
Nur einige Atemzüge lang
Aber das reicht schon hin
Und plötzlich ist das alles da
Frau und Mann
Das ewig gleiche Spiel
Und leichtsinnige Lust darauf!
Und genau das ist schon zuviel!
          Warum eigentlich?

 Mensch da packt dich auf einmal
So ’ne Unvernunft
So ein dämlich schönes Verlangen
Wie Klärchen hinzusinken an
Die Männerbrust
Und idiotisch schöne Sachen
Anzufangen
Doch da tickt sofort in deinem Hirn
Ein kleiner Computer sich ein:
„Halt Käthe!“, denk an dein Alter
Was soll denn das, lass das sein!
         Warum eigentlich?

 Na der ist doch schließlich
Jünger als du
Zieh die Pfoten ein,
Schalt auf Kumpel um
Das wär doch der Gipfel,
Mensch
Lass den in Ruh
Der lacht dich doch aus
Du blöde Kuh!
        Warum eigentlich?

 Und da sagst du auch schon brav
„Was mach ich da bloß
ich bin doch glücklich
Alles läuft wie geschmiert
Mann – Haus und Auto ist alles
Vorhanden –
Dreh ’ne Runde Klärchen,
Jogg durchs Geviert!
Zähl die Falten morgens mal
Im Sonnenlicht
Und sieh die mal im
Vergröß’rungsspiegel an
Stell dich auf die Waage
Schummeln gibt’s heute nicht
Und denk gefälligst
Auch an deinen Mann!“
           Warum eigentlich?

Annekathrin erzählte mir vor ein paar Jahren einmal, dass sie Gedichte schreibt, so für sich. Die Intuitionen kamen immer dann, wenn sie etwas sehr bewegt hat. Zur Veröffentlichung hat sie ihre Schwägerin bewegt. Wer Gedichte zu lesen weiß, erkennt in den Versen der Schauspielerin eine starke, aber verletzbare Frau.
Unsere Freundschaft begann 1996 mit einem Interview, dass sich ums Altwerden drehte. Annekathrin Bürger war 59 und ihr Mann, der Schauspieler Rolf Römer lebte noch. Er starb im Frühjahr 2000 an den Folgen eines tragischen Unfalls. Sie waren 30 Jahre verheiratet.

vor-Spiegel
Damals wollte ich wissen, ob sie das Altwerden als Last empfindet. Und die zwar füllig gewordene, aber durchaus attraktive Schauspielerin sagte: „Ein bisschen traurig macht es mich schon, nicht mehr so jung zu sein. Rollen fallen weg, der Körper verändert sich.“ Und mit einem Blick auf ihren Mann, fügt sie hinzu: Auch wenn mich der Römer lange nicht mehr aufmerksam anguckt wie früher, acht ich darauf, dass Hintern und Bauch nicht zu dick werden. Ich muss in meinem Alter nicht mehr sexy aussehen, aber erotisch wirken möchte ich schon noch.“

Mädel-mit-Hut

An dieses Prinzip hat sie sich gehalten, es war ihr nach dem Tod ihres Mannes ein Korsett, das sie aufrecht hielt in der schmerzvollen Zeit des Abschieds. „Ein unverhofftes Kompliment zu bekommen oder zu spüren, dass dich jemand fasziniert anguckt, dieses Glücksgefühl sollte jeder Frau in jedem Alter nicht egal sein“, sagt sie heute. In diesem Jahr ist Annekathrin 78 geworden, dreht hin und wieder. Aber sehr viel mehr als kleine Rollen bedeuten ihr die poetischen Konzerte „Liebe ist das schönste Gift“ und jetzt die musikalischen Lesungen mit Christine Rammelt-Hadelich „Weisheiten der Liebe“.

Einwurf:  Unsere Gesellschaft geht mit dem Alter nicht gut um. Da fällt es schwer, sich zu akzeptieren wie man ist. Die Schönheitschirurgie boomt – oder nicht?

Premiere ist am 15. Mai, 19.30 Uhr im Stadttheater Cöpenick in Berlin.

http://www.annekathrin-buerger.de

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Walfriede Schmitt: Ich will das Leben festhalten

Bald – was für ein dehnbarer Begriff. Das kann schon mal zwei Jahre dauern. So lange jedenfalls brauchten Walfriede Schmitt und ich – auf dem Foto mit Schauspieler Wolfgang Winkler – , bis wir uns endlich zum „bald“ verabredeten Kaffee trafen. Wir saßen im Steak House zwischen „Distel“ und Metropoltheater an der Friedrichstraße, weil es dort a) einen guten Espresso gibt, und es b) am Schnittpunkt der öffentlichen Verkehrsmittel unserer Wege in die „Stadt“ liegt. Und sie hat während ihrer Proben für die Sitcom „(K)Ein guter Tausch, den Espresso hier schätzen gelernt. Drei Wochen mal Straßenbahn und S-Bahn zu benutzen, war für Wally, die sonst immer mit dem Auto unterwegs ist, ein großes Vergnügen: „Leute gucken, sich im Backshop einen Latte Macchiato holen – so hat man seinen Spaß. Ich habe die Stadt von einer ganz anderen Seite kennen gelernt“, erzählt sie aufgeräumt.

c/o Robert Jentzsch
c/o Robert Jentzsch

Walfriede Schmitt als Haushälterin Luise und Bürger Lars Dietrich als überforderter Vater eines Teenagers in „(K)ein guter Tausch“

Sie freut sich. Ja, das ist wohl wahr, wenn man den Blick noch dafür hat. Wally ist Urberlinerin,  lebt aber schon seit Jahren mehr in ihrem Mecklenburger Idyll. Eine überschaubare Kate hat sie sich hergerichtet und kommt nur zum Arbeiten runter. Und Arbeit hat sie viel. „Für eine Frau, die Weihnachten gesagt hat, ich werde jetzt mal kürzer treten, ich muss mich ein bisschen darauf einrichten, dass ich älter werde, bin ich ganz schön beschäftigt.“ Wir reden über das Zurechtkommen mit dem Altwerden. Man kann ihm nicht entkommen, aber für uns beide steht noch Spielen und Schreiben davor. Für Wally ist der Beruf ihre Lebenserhaltungsmaßnahme.

c/o Robert Jentzsch
c/o Robert Jentzsch

Die „Kalendergirls“ in der Comödie Dresden sind (von links) Ursula Karusseit, Angelika Mann, Walfriede Schmitt, dahinter Uta Schorn, Victoria Brahms und Renate Blume. 

Und die betreibt sie intensiv. Sie spielt an der Dresden Comödie außer „Kalendergirls“ nun auch in der oben genannten Seelentausch-Komödie von Dominik Paetzoldt und heimst als ständig besoffene Haushälterin Beifall auf offener Bühne ein. Das Sahnehäubchen der Rolle ist ihr Auftritt als Cheerleader. Und das mit 72! Ich fasse es nicht. „Dass ich das hinkriege, hätte ich nie gedacht“, gesteht sie.

Wie viel mehr hinter dem Satz steckt, erfahre ich so nebenbei. Und es trifft mich wie ein Schlag. Wally hat COPD, die zum Glück  im Anfangsstadium gestoppt werden konnte. „Ich war drauf und dran gewesen, mich mit meiner Raucherei umzubringen. Die Lunge sei schon angegriffen, sagten ihr die Ärzte, als sie vor drei Jahren mit einem schweren Infekt im Krankenhaus lag. Sie kämpfte gegen das vermeintliche Vergnügen, dass ihr das Rauchen bescherte. „Ich hatte die Wahl, aufhören oder wie jämmerlich ersticken. Und das ist keine schöner Tod.“ Stolz auf sich sagt sie: „Seit einem Jahr habe ich es endlich geschafft, keine Zigarette mehr anzurühren.“ Sie sieht dabei nicht unglücklich aus, auch wenn sie das Rauchen vermisst, beim Nachdenken und Schreiben. Sie will das Leben festhalten. Im Nachhinein schämt sie sich dafür, was sie Menschen in ihrer Umgebung mit der Qualmerei angetan hat. „Man stinkt“, sagt sie.

c/o Robert Jentzsch

Die „Kalendergirls“  sind mit hochkarätigen Oststars besetzt: Renate Blume, Uta Schorn, Angelika Mann, Walfriede Schmitt und Ursula Karusseit 

Das Bedürfnis, uns sporadisch zum „Quatschen“ zu treffen, gibt es, seit wir uns vor 20 Jahren kennen gelernt haben. Damals war die im Osten hoch geschätzte Schauspielerin als Oberschwester Klara in der SAT.1-Serie „Für alle Fälle Stefanie“ die Frau, mit der sich Millionen weibliche Zuschauer identifizieren konnten. Sie gab der Figur soviel Menschlichkeit, Humor und einen zeitkritischen Blick auf unser Leben, dass sie für die Leute noch immer Klara ist. 2004, nach neun Jahren, wurde die Serie eingestellt. Wer sich noch mal erinnern will, hat Gelegenheit dazu im Internet http://www.sat1gold.de/tv/fuer-alle-faelle-stefanie.

Ich habe damals für „Bild der Frau“ ein Porträt über Wally geschrieben. Das war meine erste persönliche Begegnung mit der Schauspielerin, die ich aus DDR-Filmen wie „Bahnwärter Thiel“ und „Das Schilfrohr“ kannte. In unserem langen Gespräch sagte sie damals einen Satz, der sich durch ihr Leben zieht: „Ich hatte ein Vision von Sozialismus: Eine Welt ohne Krieg, eine Welt voller Gerechtigkeit. Das habe ich meinen besorgten Nachkriegseltern von den Lippen genommen. Es war mir so wichtig, dass ich auch bereit war, mich dafür aufzureiben.“ Der Sozialismus, wie er gelebt wurde, ist passé, die Vision besteht und wird dringender denn je angesichts dessen, was in Afrika, der arabischen Welt und vor unserer Haustür in der Ukraine passiert. In der DDR war die „persönliche Verantwortung jedes Einzelnen für den Weltfrieden“ ein Druckmittel. Wir haben eine historische Verantwortung gelebt. Man war erpressbar damit. Das ist anders geworden seit der Wende. Niemand fragt mehr danach der Verantwortung des Einzelnen. Aber wem das Fragen,  sich Gedanken machen über das Weltgeschehen einmal in Fleisch und Blut übergegangen ist, der kann  es nicht abstreifen.

Wally jedenfalls nicht. Sie wagt mit ihrem neuen literarisch-musikalischen Programm „Manifestliches“ – über das Marxsche Manifest und die Folgen des kapitalen Wahnsinns – den Versuch, die Situation zu hinterfragen und damit vielleicht manchem die Augen zu öffnen. Premiere ist am 3. Oktober, dem neuen Tag der Republik, im Theater am Rand in Zollbrücke. Mit dabei Jens-Uwe Bogadtke, die Musiker Konrad und Johannes Bauer und Tobias Morgenstern. Bis dahin gibt es anderes von der Schauspielerin zu sehen: Am 9., 10. und 21. Mai ist sie mit ihrem Tucholsky-Abend „Affenkäfig Berlin“ im Berliner Theater im Palais zu Gast.

Nach ihrem Buch „Gott ist zu langsam“, das inzwischen auch in einer Bühnenversion Erfolge feiert – mit Wally und Jens-Uwe Bogadtke in den vielen Rollen –, hat sie nun einen Krimi fertig: „Glück ist, wenn der Hund nicht bellt“. Mehrere Espressos und ein übersinnlich guter Schokoladenkuchen waren den Weg des Irdischen gegangen, als wir uns verabschiedeten, um uns bald mal wieder zum Kaffee zu treffen.

Und hier gibt es mehr Termine:

http://www.comoedie-dresden.de

http://www.theateramrand.de