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Gojko Mitic – Noch nicht reif für die Bärenhaut

Wie geht ein Indianerhäuptling seinen 75. Geburtstag an? Keine Ahnung. Vielleicht mit einem großen PowWow. Unser Lieblingshäuptling Gojko Mitic, der alte DEFA-Chefindianer a. D., Held unserer Kindertage und Jugend, reitet  als Graf Hans Georg von Arnim über die Odertal-Freilichtbühne in Schwedt. „Die Verschwörung von Chorin“ heißt das Fantasiespektakel. Jetzt ist er in der Endphase der Proben und hat nur Zeit für ein kurzes Telefongespräch. „Am 12. ist die Premiere, danach wird ein bisschen gefeiert, und wenn die Turmuhr Zwölf schlägt, stoßen wir auf meinen Geburtstag an. Das war’s.“

Muskulös, attraktiv und eine Ausstrahlung, die ihn zum Helden machte. Gojko als Weitspähender Falke. Foto: privat
Muskulös, attraktiv und eine Ausstrahlung, die ihn zum Helden machte. Gojko als Weitspähender Falke. ©DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer

Er hat Feiern noch nie gemocht, schon gar nicht an Geburtstagen. Eine Ausnahme waren die Kindergeburtstage seiner Tochter Natalie, die inzwischen 22 Jahre und eine hübsche junge Frau ist. Sie wird natürlich bei der Premiere ihres Vaters in der Zuschauerarena sitzen und ihm die Daumen drücken, dass es ein Erfolg wird. Aber ist das überhaupt eine Frage? Die Uckermärkischen Bühnen jedenfalls haben daran keinen Zweifel. Sie setzen auf die Beliebtheit und Popularität von „Tokei-ihto“, „Ulzana“ & Co.

Gojko als Hans Georg von Arnim im Spektakel „Die Verschwörung von Chorin“
Gojko als Hans Georg von Arnim im Spektakel „Die Verschwörung von Chorin“. ©Udo Krause/Uckermärkische Bühnen

Schmuck sieht er aus in seinem Kostüm. Sein grauer Schopf ist unter einer Perücke mit langen dunklen Locken verschwunden. Ein „Musketier“-Bart ziert sein Gesicht. Irgendwie erinnert er mich an D’Artagnan, den er 1980 in Thale spielte. „Als ich mich bei den Proben das erste Mal mit Kostüm und Maske im Spiegel sah, war ich echt verblüfft“, sagt er. „Da guckte mich ein 40-Jähriger an“, lacht er. Das Temperament, die Sportlichkeit hat er allemal. Und wie 75 sieht er ohnehin nicht aus.

Gojko mit mir am Ufer seines Grundstücks. Foto: Boris Trenkel
Gojko mit mir am Ufer seines Grundstücks. © Boris Trenkel

Eigentlich wollte er diesen Sommer nicht auf der Bühne stehen, sondern sich ein bisschen um sich und seinen Garten kümmern, sein Häuschen genießen, das er sich 2011 gebaut hat. Mit Fußbodenheizung, großen Fenstern, den Blick auf Garten und Dahme. Das war immer sein Traum gewesen. Nun ja… Gojko ist jemand, der nicht nein sagen kann. Und so nahm er die Rolle an, als man ihn bat, dem Theater mit seiner Anwesenheit auf der Bühne ein bisschen unter die Arme zu greifen. „Und es war insofern verlockend: Die Zeit ist überschaubar und ich bin nicht so weit weg von zu Hause.“

Schlossfestspiele Schwerin, Musical SORBAS, mit Gojko Mitic in der Hauptrolle, als Alexis Sorbas. Freilichtbühne vor dem Schweriner Schloss. Premiere am 08.08.2009 Copyright: Andre Kowalski, Leibnizstrasse 45, 10629 Berlin, E-Mail: andrekowalski@t-online.de, fon: +49172 390 12 95, +493021476500, Bank: Berliner Bank AG, Konto-Nr.: 363 59 23 800, BLZ: 100 200 00, BIC: BE BE DE BB, IBAN: DE36 1002 0000 3635 9238 00, Veroeffentlichung nur gegen Honorar laut aktueller MFM-Liste, Urhebervermerk und Belegexemplar! Es gelten die AGB von Andre Kowalski, einzusehen unter www.andrekowalski.de!
Plauderei am Rande der Schweriner Schlossfestspiele 2009, wo Gojko „Alexis Sorbas“ sang ©Andrej Kowalski
Bis 31. Juli gibt der Serbe den Grafen und schlägt einen Bogen zu seiner ersten Komparsenrolle in den englischen Historien-Schinken „Lanzelot“. Da führte er in gewichtiger Rüstung als Double des damals bekannten Schauspielers und Regisseurs Cornel Wilde den Reitertross mit Lanze und Schwert in die Filmschlacht.

Gojko (l.) mit seinen Schulkameraden in seinem Heimatort Leskovac
Gojko (l.) mit seinen Schulkameraden in seinem Heimatort Leskovac ©Mitic

Tja, und wenn in Schwedt der letzte Beifall verklungen ist, wird auch nichts damit, die Seele baumeln zu lassen. „Winnetou“ hat ihn wieder eingeholt. Der österreichische Regisseur Philipp Stölzl („Der Medicus“) verfilmt für RTL drei der Karl-May-Geschichten neu, mit Wotan Wilke Möhring als Old Shatterhand. Gojko Mitic wird die Rolle des Indianers Tangoa übernehmen. Er hat gerade den Vertrag unterschrieben. „Es ist eine negative Figur“, sagt er. „Tangoa hat sich mit den Weißen verbündet und ist dem Alkohol verfallen. Am Ende wird er aber doch mit seinen roten Brüdern kämpfen.“ Was sonst, ein bisschen Gut muss schon sein, wenn Gojko am Werke ist.

Gojko als Häuptling Wakadeh (r.) mit Pierre Brice als Winnetou und Stewart Granger als Odl Shatterhand in „Unter
Gojko als Häuptling Wakadeh (r.) mit Pierre Brice als Winnetou und Stewart Granger als Old Shatterhand in „Unter Geiern“ (1964, F/BRD). Foto: privat

Einer der Produzenten ist Rialto Film, und es scheint nicht abwegig, dass von hier der Anstoß kam, eine der Indianer-Rollen mit Gojko Mitic zu besetzen. Denn gleich nach „Lanzelot“ ging es für den Sportstudenten als Komparse in italienischen Abenteuerfilmen weiter – „Römische Mädchen“, „Die Sieben von Theben“ und „Venezianische Katakomben“.

1963 bekam der damals 23-jährige Student seine erste Rolle als Indianerhäuptling in der deutsch-italienischen Koproduktion „Old Shatterhand“ mit Lex Barker in der Titelrolle und Pierre Brice als Winnetou. „Sein Tod hat mich getroffen, obwohl wir uns nur wenig kannten“, sagt Gojko. „Ich habe in Jugoslawien drei Filme mit ihm als Winnetou gedreht, nach Old Shatterhand noch Winnetou II und Unter Geiern. Als ich dann 1992 sein Nachfolger in Bad Segeberg wurde, habe ich einmal unter seiner Regie gespielt. Er inszenierte 1999 bei den Karl-May-Spielen Halbblut. Es ist traurig, dass er mit gerade 86 Jahren an einer Lungenentzündung starb.“

 Gojko und die Autorin 2013 in der Kalkbergarena Segeberg. Foto: York Maecke
Gojko und die Autorin 2013 in der Kalkberg-Arena Bad Segeberg. ©York Maecke

Der Tod fragt nicht, ob er gelegen kommt. Aber Gojko tut alles, um ihn sich lange vom Leib zu halten. Tägliches Schwimmen in der Dahme, wenn er Frühling beginnt, Rudern und Radfahren gehören immer noch zu seinem Tagesablauf, wenn er nicht gerade unterwegs ist. Wie jetzt. Die Dreharbeiten für die neuen Winnetou-Filme, die Ende des Sommers beginnen sollen, führen Gojko an die alten Schauplätze in Kroatien zurück. Eine Rückkehr zu den Wurzeln in seiner Heimat Serbien, die er 1968 verlassen hat.

Gojko als Tokei-ihto in seinem ersten DEFA-Film „Die Söhne der großen Bärin
Gojko als Tokei-ihto in seinem ersten DEFA-Film „Die Söhne der großen Bärin © DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer

„Die Entscheidung fällte damals eigentlich das Publikum in der DDR“, sagt er. „Es hat mich nach „Die Söhne der Großen Bärin“ und „Chingachgook – Die große Schlange“ so gefeiert und ins Herz geschlossen, da konnte ich nicht mehr zurück.“ Und außerdem war schon der nächste Film bei der DEFA auf ihn programmiert, „Spur des Falken“. Das ging so weiter, die DEFA drehte mit ihm insgesamt 134 im Hinstorff Verlag Indianerfilme in den folgenden Jahren. „Seitdem ist Berlin sein Zuhause. „Ich fühle schon nach drei Tage Heimweh hierher, wenn ich weg bin. Aber Serbien wird immer mein Heimat bleiben“, sagt er.

Pferdewechsel im Galopp war für Gojko kein Problem. Foto: privat
Pferdewechsel im Galopp war für Gojko kein Problem. ©DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer

Es war in Gojkos Lebensplan eigentlich nicht vorgesehen, dass Schauspieler zu werden. Er hat in Belgrad ein Sportstudium absolviert und das Diplom zu Sportpädagogen gemacht. „Als Komparse während meiner Studienzeit habe ich die Schauspielerei als Hobby betrachtet, um ein paar Dinare zu verdienen. Ernst wurde es, als mich DEFA-Produzent Hans Mahlich als Tokei-ihto besetzt hat.“

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Gespräch mit Chemnitzer Schülern nach dem Film „Der lange Ritt zur Schule“. Neben Gojko sitzen Schauspieler Günter Schubert und Regisseur Rolf Losansky

 

Den Häuptlingen folgten viele andere Rollen und Gelegenheiten, sich in zahlreichen Fernsehproduktionen als Charakterdarsteller zu profilieren. Regisseur Rudi Kurz gab ihm 1972 im Mehrteiler „Das Geheimnis der Anden“ eine Hauptrolle, dann in „Visa für Ocantros“.

Bei Moskau drehte er die DDR-Fernsehserie „Archiv des Todes“
1977 als Partisan Muratow in dem DEFA-Film „Ich will dich sehen“ © DEFA-Stiftung/Michael Göthe

Noch während der Dreharbeiten sagte er dem Bergtheater Thale für die Rolle des „Spartacus“ zu. Er bestand die Feuerprobe auf dem Theaterboden glanzvoll und feierte in den Jahren darauf weitere Erfolge als Diener zweier Herren“ und als D‘Artagnan ind Die drei Musketiere. An der Seite von Inge Keller, der Grande Dame der Schauspielkunst, überzeugte er als korrupter Höfling in der Literaturverfilmung „Die Liebe und die Königin“. Mit Agnes Kraus bringt er in der Komödie „Alma schafft alle“ seine komische Seite zum Klingen. Und er spielte gern in Kinderfilmen mit. Regisseur Rolf Losansky besetzte ihn oft, so in „Der lange Ritt zur Schule“. Wieder mal mit Rolf Hoppe als Cowboy. Die beiden Männer verbindet seit „Spur des Falken“ eine herzliche Freundschaft.

Gojko Mitic mit der Autorin in Belgrad. Hier auf der Kalemegdan-Festung. Foto Boris Trenkel
Gojko Mitic mit der Autorin in Belgrad. Hier auf der Kalemegdan-Festung. © Boris Trenkel

Nach dem Fall der Mauer startete er mit kleinen Rollen wie in „Der Kinoerzähler“. Der Durchbruch kam für Gojko 1995 mit der Hauptrolle neben Gudrun Landgrebe im ARD-Film „Herberge für einen Frühling“. Inzwischen sind reichlich neue Rollen dazugekommen. Als Killer in den TV-Krimireihen „Der Solist“, „SOKO Leipzig“, „SOKO Wien“, im Kinofilm „Esperanza“ und der SAT.1-Prduktion „In einem wilden Land“. Kürzlich sah man ihn in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“. Nach seinem Erfolg als „Sorbas“ pflegt er nun auch wieder sein musikalisches Talent wieder. Spielt Gitarre, wie einst als Student in Belgrad, und arbeitet an einem musikalischen Programm. Auftritte, Lesungen – es nimmt kein Ende. „Und das ist auch gut so“, sagt Gojko. Man darf sich im Alter nicht auf die Bärenhaut legen, dann ist das Leben bald vorbei.“ Na, dann bleib noch lange gesund, Gojko!

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Rolf Hoppe – Der Mann mit den vielen Gesichtern

Er ist einer der bedeutendsten deutschen Schauspieler und für mich ein ganz besonderer Mensch. In wenigen Tagen, genauer, am 6. Dezember, feiert Rolf Hoppe seinen 85. Geburtstag. Die Geschichten über sein Leben hat er in zwei Büchern erzählt – und einiges davon mir, seit wir uns  1997 für ein Porträt kennengelernt haben. Seitdem telefonieren wir so zwei-, dreimal im Jahr oder auch öfter. Es sind stets vergnügliche Plaudereien, bei denen hin und wieder eine Verabredung herauskommt. Wie im Mai, weil man sich gern wieder sieht.

Mein Hausbesuch bei diesem Mimen – bei ihm ist diese Formulierung nicht zu hoch gegriffen – führte zu einer ganz besonderen Titelgeschichte in der SUPERillu (Heft 23/15). Denn zum ersten Mal war seine Frau Friederike dabei. Zur großen Freude ihres Mannes. Nachdem sie sich aber zunächst wie immer konsequent geweigert hatte, „in einem Artikel zu erscheinen“. Sie habe da nichts verloren. Punkt. Wohl aber doch, so sieht das Rolf Hoppe. Doch dazu später noch mehr.

Hoppes Haus2795
Rolf Hoppe war 62, als er sich seinen Traum von einem kanadischen Blockhaus erfüllte© Bärbel Beuchler

Kurz nach meinem Besuch in seinem Domizil in Weißig war Rolf Hoppe mit dem Deutschen Schauspielerpreis geehrt worden. Nicht für eine Rolle, sondern für sein Lebenswerk, für  60 Jahre darstellerisches Schaffen. Weit über 400 Rollen prägte er auf der Bühne, vor der Kamera oder in Hörspielen, jede eine Zäsur.

Schauspieler Rolf Hoppe
Das Porträt von Rolf Hoppe fotografierte York Maecke

Der Deutsche Schauspielerpreis wurde 2012 ins Leben gerufen. Eine Anerkennung von Schauspielern für Schauspieler. Im letzten Jahr wurde Senta Berger mit diesem Preis geehrt, die beiden Jahre zuvor Götz George und Katharina Thalbach. Rolf Hoppe empfindet es als große Ehre, ihn bekommen zu haben. „Du kennst mich ja. Ich bin in solchen Sachen ein Fluchttier, wie meine Frau. Aber da bin ich hingegangen, weil ich mich sehr gefreut habe über diese Anerkennung. Dass Menschen an einen denken, denen man mit seiner Arbeit Freude gebracht hat, ist das eine. Aber dass es Kollegen sind, die meine Arbeit würdigen, macht mich froh. Man wird ja schnell vergessen, wenn man alt und nicht mehr so präsent ist.“ Eine bittere Wahrheit für viele andere, nicht für den Mimen mit dem weißen Bart, der so gern lacht und Späße beim Gespräch macht. Der sich vor fast 70 Jahren die Kindheit  in die Tasche gesteckt hat.

Schauspieler Rolf Hoppe
Interview mit dem Schauspieler in seinem Refugium. Hier bewahrt er Erinnerungen an seine Kindheit als Bäckerlehrling in seinem Heimatort Ellrich und seine Filmrollen auf  ©Yoerk Maecke

Nicht mehr präsent! Davon kann bei ihm  wirklich nicht die Rede sein. Erst im Sommer stand er für den Kinofilm „Die Blumen von gestern“ vor der Kamera. Hoppe spielt einen Historiker, dessen Spezialgebiet der Holocaust ist. Im letzten Jahr hat er in Irland für den ZDF-Zweiteiler „Pfeiler der Macht“  gedreht und davor den Fernsehfilm „Ohne dich“. Es sind inzwischen die Rollen der Alten, Weisen, Intellektuellen, Juden, Familienoberhäupter mit geheimnisvollen Punkten im Leben, die den fast 85-Jährigen noch ein-, zweimal im Jahr vor die Kamera locken. „Es ist alles nicht mehr so ideal. Das ganze Drumherum bis ich vor der Kamera stehe ist anstrengender geworden“, sagt er. „Aber es ist schön, dass man mich Alten noch will.“ Inzwischen begleitet Enkel Oscar seinen Großvater bei den Produktionen. „Dann bin ich nicht so allein und habe jemanden, der weiß, wann ich wo sein muss.“

Frau Hoppe schaut zu, wie York Maecke ihren Mann fotografiert
Frau Hoppe schaut zu, wie York Maecke ihren Mann fotografiert

Schauspieler mit der Gabe eines Rolf Hoppe sind selten. Regisseur István Szabó, in dessen Film „Mephisto“ er als Nazi-General Göring 1981 international berühmt wurde – trotzdem mag er die Rolle nicht besonders – sagte über ihn: „Er ist der Mann fürs Ambivalente. Hoppe kann mächtig und zugleich zerbrechlich wirken. Das Böse verbirgt sich bei ihm hinter verführerischer Leutseligkeit, scheinbar Gutem. Das Heuchlerische und Intrigante, das Doppelbödige hinter Liebenswürdigkeit, scheinbarer Ehrlichkeit.“

Zärtlich drückt Rolf Hoppe seien Frau an sich. Seit 55 Jahren sind sie zusammen
Zärtlich drückt Rolf Hoppe seine Friederike an sich. Seit 55 Jahren sind sie zusammen © York Maecke

Hoppe hat einen klaren Anspruch an den Beruf. Für ihn bedeutet Schauspieler zu sein, Geschichten erzählen, Menschen in ihrem Widerspruch zeigen. „Wenn einer dumm wirkt, muss er einen hellen Geist haben. Wenn einer dick ist, muss er agil sein“. Populärstes Paradebeispiel ist der Indianerhasser Bashan im DEFA-Film „Spur des Falken“, in dem der schwergewichtige Hoppe mit seiner Wendigkeit beim Reiten selbst Gojko Mitic verblüffte. Die hohe Kunst des Schauspielers zeigte sich in seiner Rolle als Präfekt in „Mario und der Zauberer“ unter der Regie von Klaus Maria Brandauer. Dessen Worte: „Dieser  Hoppe ist genial. Er beherrscht die Szene ohne etwas zu sagen. Nur mit seinen Blicken, seinen Gesten.“  Seine Körpersprache, seine Mimik und vor allem seine Stimme mit den unendlich vielen Modulationen sind Hoppes Kapital, in dem das Geheimnis seines Erfolgs liegt.

Rolf Hoppe will mit seinem Spiel aufklären, nicht dogmatisch, sondern auf eine unterhaltende Weise, die zugleich den Ernst erkennen lässt. Er macht das auf so wunderbare Weise, dass selbst die Kinder es verstehen. Für sie hat er besonders gern gedreht. Zu seinen liebsten Rollen gehören für ihn der verschlagene und der gute König in dem Kinderfilm „Lorenz im Land der Lügner“ und der wundersame Schneider „Meister Röckle“.

Die Skulptur ist das Geschenk eines Bildhauers
Die Skulptur ist das Geschenk eines Bildhauers. Irgendwie hat sie Ähnlichkeit mit Hoppe © Bärbel Beuchler

Der Dresdner Filmkritiker Karl Knietzsch fand in einem Gespräch mit Hoppe für die DDR-Kinozeitschrift „Filmspiegel“ ein treffsicheres Bild. „Rolf, wenn du’n Pferd geworden wärst (Hoppe mag Pferde), dann außen ‘n Kaltblüter, aber innen todsicher ‘n Vollblut!“ Diese besondere Fähigkeit ist es, die diesen leisen, fast schüchtern wirkenden Mann so besonders und für Regisseure immer wieder anziehend macht. „Ich suche in einer Figur das, was sie menschlich macht. Frage, wovon versteht sie was, wovor hat sie Angst. Egal, wie groß oder klein eine Rolle ist. Bei den kleinen ist am schwersten, macht aber am meisten Spaß“, erzählt er mir. Das ist sein Credo.

Hoppe ist ein Weltstar, auch wenn er sich als solchen nicht empfindet. Er ist nicht der Typ, der nach vorn prescht ins Rampen- oder Scheinwerferlicht. Keiner, der immer das Sagen haben will. Mit solchen Leuten kommt er schwer zurecht. „Wenn ich merke, da hat einer das Bedürfnis an der Spitze zu sein, bin ich ganz still und lasse ihn. Henry Hübchen ist so einer – über den darf ich das sagen, der weiß es.“ Sie haben zusammen für die Krimi-Reihe „Commissario Laurenti“ in Triest gedreht. Hübchen in der Titelrolle, Hoppe spielte den alten Doktor Galvano. Eine Rolle, wie für ihn gemacht.  Und er genoss es, durch die Straßen der geschichtsträchtigen norditalienischen Hafenstadt an der Grenz zu Slowenien und Österreich zu spazieren.

Triest Italien
Im Juni 2007 besuchte ich Rolf Hoppe bei den Dreharbeiten für die ARD-Reihe „Commissario Laurenti in Triest © York Maecke

Rolf Hoppe, der am Nikolaustag 1930 im Harzstädtchen Ellrich das Licht erblickte, hat nie etwas anderes gewollt, als Schauspieler zu sein. Seit er als Kind ein Puppentheater geschenkt bekam und den Spaß am Spielen, Verwandeln entdeckte. Und – dass man den Menschen damit, wenn auch nur für kurze Zeit, ein Lachen geben kann. Der Krieg hatte es den Menschen genommen. Diesem Traum ist er nachgegangen. So intensiv, dass er 1950 im Märchenstück „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ mit Fieber auftritt und nach mehreren Vorstellungen die Stimme verliert. „ Lähmung der Stimmlippen, weil ich mich überschrien hatte. Ich wusste nicht damit umzugehen. Das war die schlimmste Zeit, die ich erlebt habe.“

Die Bühne war passé, aber er gab nicht auf, arbeitete als Tierpfleger im Zirkus Aeros, und fand in Halle einen Professor für Logopädie. Er lernte wieder sprechen. Statt  Zigaretten zu rauchen, empfahl ihm Prof. Wizzak, es mit der Pfeife zu probieren, die schade der Stimme nicht. „Ich war baff“, sagt Hoppe. Die Pfeife wurde ihm zum unabkömmlichen Requisit.

Wie eine kleine Robbe sieht der schwarze Stein aus.  Von allen Drehorten brachte sich der Schauspieler Steine mit
Wie eine kleine Robbe sieht der schwarze Stein aus. Jeder Stein ist ein Mitbringsel von den Drehorten – Erinnerungen an den Kaukasus, China, Amerika, die Mongolei, Rumänien… er wollte und hat die Welt gesehen ©Bärbel Beuchler

1946 stand er zum ersten Mal auf einer Bühne, in der Titelrolle von  Friedrich Wolfs Stück „Prof. Mamlock“ im Laientheater in Ellrich. Es wurde für ihn ein Riesenerfolg. Sein erster. Von da an stand für ihn fest, dass er die Schauspielerei ernsthaft, als Beruf, betreiben will. Nach zwei Ablehnungen für eine Schauspielausbildung in Weimar und Halle studierte er 1949/50 an der Schauspielschule des Theaters Erfurt. Das ist ein ganz Besessener, der zerrupft sich für eine Rolle – hieß es unter den Studenten. Rolf Hoppe ist ein Perfektionist. Es muss stimmen, was er spielt. So ließ er sich nicht davon abbringen, in der Operette „Feuerwerk“ mit den zur Rolle gehörenden Clownslatschen 2,50 Meter über dem Boden auf einem Drahtseil zu balancieren. Er schaffte das bis zur Generalprobe. Da stürzte er ab und landete mit Prellungen und Platzwunden im Geraer Krankenhaus.

Das war 1960. Ein Aufenthalt mit Folgen. Die drei Jahre jüngere OP-Schwester Friederike fand Gefallen an ihm und er an ihr. Von da an wird sie ihn durchs Leben begleiten, seine Träume mittragen, in denen es auch zwei Kinder gibt. Mit großer Zärtlichkeit erzählt er von seinen Töchtern Josephine und Christine, die in seine Fußstapfen getreten sind. Christine hat die große Präsenz ihres Vaters, wenn sie am Dresdner Staatsschauspiel auf der Bühne steht. „Das Mädel spielt die ganz großen Rollen, mit großer Wirkung.“ In seiner Stimme schwingt unbändiger Stolz mit.

Der Denker hinterm Fenster
Der Denker hinterm Fenster © Bärbel Beuchler

Für Rolf Hoppe waren Träume nie Schäume. Was im Leben nicht ging – und das war wenig, denn sogar der Traum vom eigenen Hof-Theater erfüllte sich 2005 – erspielte er sich. Vor allem in seinen Filmrollen. Da ritt der Pferdenarr in den Indianerfilmen durch den Wilden Westen. Er war Gaukler, Artist, König, Lokführer. Doch das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn ihm seine Frau Friederike nicht den Alltag abgenommen hätte. Dafür hat sie ihren Beruf aufgegeben. „Wir sind seit 55 Jahren zusammen, nie konnte ich sie auch nur zu einem Foto für die Zeitung überreden, dabei gehört sie doch zu meinem Leben. Ohne sie wäre ich manchmal hilflos gewesen“, gesteht er. Es machte ihn traurig.

Frederike Hoppe hat Spaß beim Zugucken
Friederike Hoppe hat Spaß beim Zugucken © Bärbel Beuchler

Dann passierte das große Wunder. Während Fotograf York Maecke nach meinem Gespräch Aufnahmen von Hoppe machte, erzählte mir seine Frau Friederike von ihrem Leben an der Seite des Workaholics. Ja, das war Rolf Hoppe. Um so mehr genoss die Familie die Zeit mit ihm, die Ferien in Ungarn, als Szabó ihn für seinen Film gewinnen wollte. Seine Frau und die beiden Töchter Josephine und Christine begleiteten ihn nach Salzburg, wo er sieben Jahre den Mammon im „Jedermann“ spielte.

Die  kleine, resolute Frau ließ ihn seinen Beruf ausleben, der ihn glücklich macht. „Dass ich Rolf kennenlernte, war die Erfüllung einer unbestimmten Sehnsucht. Ich wollte einen Mann, der einen besonderen Beruf hatte. Aber ich wusste nicht, was für einen.“ Als Rolf wieder gesund war damals, ging sie zu ihm ins Theater und bat ihn, ihr zwei Karten zu besorgen. „Ich war hin und weg von seiner Eleganz und habe mich in ihn verliebt.“ Es war eine glückliche Fügung. Zum Abschied unseres Besuches fragte mich Rolf Hoppe noch: „Wie hast du das nur angestellt, dass sie dir so viel erzählt. Sie weiß doch, dass du Journalistin bist. Und dass sie sich auch noch fotografieren ließ! Ich bin so glücklich darüber.“

Das muss man nicht kommentieren.

PS: Wer Lust auf einen Besuch in Rolf Hoppes Hof-Theater hat, hier findet er Spielplan und Adresse.

http://www.hoftheater-dresden.com

TV Sendetermine:

′ OHNE DICH | Regie Alexandre Powelz
25.11.2015 | 20:15 Uhr |ARTE

ROLF HOPPE
Portrait zum 85. Geburtstag
06.12.2015 | 12:40 Uhr | MDR

DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL | Regie Václav Vorlíček
29.11.2015 | 12:00 Uhr | KiKa
06.12.2015 | 14:20 Uhr | WDR

MEPHISTO | Regie István Szabó
07.12.2015 | 23:40 Uhr | MDR