Seit im Sommer 2011 die syrische Regierung unbarmherzig gegen Massendemonstrationen in Daraa, Homs und Hama vorging, sehen wir fast täglich Filmbilder von verheerenden Zuständen in Syrien.
Sie vermitteln eine Sicht, die zu hinterfragen ist.
Zwei Reportagen der Dokumentarfilmregisseure Barbara und Winfried Junge – bekannt vor allem durch ihre Langzeit–Filmchronik „Kinder von Golzow“ – brechen die Oberfläche auf, die sich uns mit den täglichen Nachrichten vermittelt.
Was war vor dem Bürgerkrieg?
Im Sommer 1970 war Regisseur Winfried Junge das erste Mal in Syrien. Sein Film „In Syrien auf Montage“ begleitet DDR-Ingenieure, die Arbeiter in der Textilfabrik Homs ausbilden. Kurz nach Ende der Dreharbeiten, im November 1970, putschte sich Luftwaffenchef Hafez al-Assad an die Macht.

Zwanzig Jahre später, 1989/90, entstand der Film „… der Vater blieb im Krieg“ über ein Treffen mit syrischen Waisen in Bad Saarow, deren Väter im Libanonkrieg gefallen waren. Winfried und Barbara Junge begleiteten die Jugendlichen nach Syrien, wo sie in gesonderten, elitären „Schulen der Märtyrerkinder“ untergebracht waren.
Die Reportage reflektiert Momente aus dem Leben dieser jungen Menschen, die sich zwischen friedlich und angespannt, hoffnungsfroh und verunsichert bewegen.
Das Filmmuseum Potsdam lädt zu einem Kinoabend „Syrien dokumentieren“ mit Barbara und Winfried Junge ein.
Termin: Donnerstag, 10. November 2016, 19.00 Uhr
Ort:
Filmmuseum Potsdam
Breite Str. 1a/ Marstall,
14467 Potsdam
Kartenreservierung: 0331-27181-12, ticket@filmmuseum-potsdam.de
Syrien: Kurzer historischer Abriss
Syrien ist ein junger Staat, der erst seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in (mehr oder weniger) seinen heutigen Grenzen existiert; 1946 erlangte er seine vollständige Unabhängigkeit. Dies kontrastiert mit Jahrtausende alten Siedlungstraditionen. Auf dem Gebiet des heutigen Syrien waren Zivilisationen beheimatet, die zu den ältesten der Menschheitsgeschichte gehören. Die syrische Geschichte des 20. Jahrhunderts ist geprägt durch die Erfahrung von Fremdherrschaft und Imperialismus sowie die schwierige Herausbildung einer syrischen nationalen Identität, verbunden mit Fragen nach territorialer Integrität und staatlicher Einheit. Hiermit verflochten sind mit rapiden Modernisierungsprozessen einhergehende gesellschaftliche Umwälzungen und der Streit um soziale Gerechtigkeit, um politische und wirtschaftliche Teilhabe. Während des Kalten Krieges distanzierte Syrien sich von der US-amerikanischen Nahostpolitik, intensivierte aber seine Beziehungen zu den sozialistischen Staaten. Syrien und Ägypten schlossen sich zur Vereinigten Arabischen Republik (VAR) zusammen, wodurch Syrien nicht gestärkt, sondern politisch geschwächt wurde. Ein Militärputsch beendete am 28. September 1961 die Mitgliedschaft Syriens in der VAR. Es entstand die Syrische Arabische Republik. Immer wieder kam es zu Machtkämpfen. 1964, 1965 und 1967 kam es zu einer Reihe von Protesten und Streiks, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Nach der Niederlage gegen Israel im Juni 1967 spitzten sich die Auseinandersetzungen innerhalb der syrischen Führung erneut zu. Am 16. November 1970 besiegelte Assad seine zunehmende, auf der Kontrolle des Militärs beruhende Dominanz mit einem erneuten Putsch, indem er Partei- und Staatsspitze verhaften ließ und eine neue Regierung unter seiner eigenen Führung bildete. Von 1975-1990 spielte Syrien eine entscheidende Rolle im libanesischen Bürgerkrieg, an dessen Ende es 90.000 Todesopfer, 115.000 Verletzte und 20.000 Vermisste gab. 800.000 Menschen flohen ins Ausland. Ein unter syrischem Druck geschlossener „Kooperationsvertrag“ im Mai 1991 machte den Libanon bis 2005 praktisch zum syrischen Protektorat.
Wer sind Barbara und Winfried Junge?

Winfried Junge ist am 19. Juli 1935 in Berlin geboren. Er studierte zunächst Germanistik an der Pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin; wechselte 1954 als einer der ersten Studenten an die neue Deutsche Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Junge hat insgesamt mehr als 50 sehr verschiedene Filme für Kino und Fernsehen gedreht, darunter den Kinderspielfilm „Der tapfere Schulschwänzer“. Seit den 1960er Jahren zeigen die Dokumentarfilme der Junges Menschen des Alltags. Sie führen auch ins Ausland, erzählen von Begegnungen mit Menschen in Syrien und Somalia, bevor das friedliche Aufbauwerk nach dem Vorbild der sozialistischen Staaten, das auch die DDR unterstützte, ein Ende fand und die Länder im Chaos versanken.

Barbara Junge wurde am 14. November 1943 in Neunhofen/Thürigen geboren. Sie studierte an der Karl-Marx-Universität in Leipzig und schloss mit dem Diplom als Dolmetscherin für Englisch und Russisch ab. Ab 1969 arbeitete sie als Journalistin und Regisseurin im DEFA-Studio für Dokumentarfilme und war zunächst für fremdsprachige Fassungen von DEFA-Dokumentarfilmen verantwortlich. Nach dem Ende der DDR und damit auch der DEFA führte sie mit ihrem Mann Winfried Junge das „Golzow“-Projekt in Co-Produktion mit Sendern der ARD, vor allem des RBB, weiter.
