Manches im Leben kommt einem gar nicht in den Sinn. Es passiert unverhofft. So erging es mir im April. Ja, das ist eine Weile her. Da hatte ich die schwedische Sängerin Nina Lizell für ein Interview bei mir zu Gast, das dann in der SUPERillu erschienen ist. Nina hatte am Abend ein Konzert aus Anlass ihres 50. Bühnenjubiläums, und sie wollte sich für das Gespräch Zeit nehmen. Da war es praktisch, bei mir den Zwischenstopp zu machen. Ich wohne in der Nähe des Flughafens Tegel. Also erwartete ich sie mit Kaffee und einem selbstgebackenen Marmorkuchen – den mag sie besonders wusste ich. Warum ich das erzähle? Seitdem verbindet uns eine schöne Freundschaft. Wir verstanden uns auf Anhieb, es gab kein Fremdeln. Am 1. September ist Nina 73 Jahre alt geworden. „Ich wurde sehr verwöhnt, es war ein wunderschöner Tag und deine Glückwünsche, liebe Bärbel, haben mich fröhlich gemacht“, schrieb sie mir in einer Mail.

Nina Lizell – das ist „Der Mann mit dem Panamahut“, „Rauchen im Wald ist verboten“ oder „Frech geküsst ist halb gewonnen“ – Ohrwürmer, mit denen das Temperamentbündel aus Schweden in den 70ern das Publikum begeisterte – und es bis heute immer wieder tut. Vor zwei Jahren war nicht sicher, ob sie nach einer schweren Rückoperation auf die Bühne zurückkehren wird. Sie erzählte mir: „Ich habe meinen ganzen Willen zusammengenommen und mir jeden Tag gesagt: Ich muss das schaffen, ich werde das schaffen, wieder auf der Bühne zu stehen.“ Sie konnte nicht stehen, schon gar nicht laufen und hat sich über die Schmerzen gekämpft. „Es ist wirklich wie ein Wunder, dass ich wieder auftreten kann. Ganz komme ich von den Schmerzen nicht los. Aber ich kann sie bewältigen. Ich fokussiere mich auf das Publikum oder jetzt auf das Gespräch, dann merke ich das kaum“, sagte sie und strahlte soviel Freude am Leben aus. „Es ist meine Philosophie, das Positive im Leben zu sehen und zu nehmen. Ich freue mich über jeden Morgen, den ich aufwache.“
-
In Ninas Arbeitszimmer gibt es viele Erinnerungen an Auftritte ©HUIPress
Es fällt nicht schwer, die Sängerin zu mögen. Ihre Freundlichkeit, ihre Liebenswürdigkeit, ihr Lächeln – nichts wirkt aufgesetzt. Sie ist in allem, was sie tut, authentisch. Genau deswegen haben sie Millionen Schlagerfans ins Herz geschlossen. Ihre Karriere begann vor genau 50 Jahren in Deutschland. Im Frühjahr 1967 stand die damals 22-Jährige vor der wichtigsten Weggabelung ihres Lebens. Der eine Pfad führte in die Lüfte, der andere auf die Bühne. „Ich war nach Deutschland gekommen, um bei der Lufthansa Stewardess zu werden, hatte aber nebenher aus Spaß an einem Talentwettbewerb in Wiesbaden teilgenommen, bei dem mich Freundinnen angemeldet hatten – und ich habe gewonnen.
-
Sie bezauberte mit ihrer Stimme, ihrem Temperament und ihrer Natürlichkeit ©HUIPress
Beim Finale in Berlin wurde ich zwar nur dritte, aber im Saal saß Günter Henner, der Produzent von Siw Malmkvist. Er kam zu mir in die Garderobe und lud mich in sein Studio ein. Ich war misstrauisch und fragte, ob ich meinen Vater mitbringen darf. Günter Henner hatte nichts dagegen, und so sind wir am nächsten Tag ins Studio gefahren. Nach den Probeaufnahmen bot er mir einen Schallplattenvertrag an“, erinnerte sie sich in unserem Gespräch. „Ich musste mich entscheiden, denn ich war schon für die Ausbildung zur Stewardess in Frankfurt am Main schon angenommen worden. Und ich habe richtig gewählt!.“ Am 26. August 1967 war Nina Lizell Stargast in der Sendung „Gala-Abend der Schallplatte“, mit der die ARD ihr Farbfernsehprogramm eröffnete. Weltweit sahen 140 Millionen Zuschauer ihren Auftritt. Sie hatte da bereits mit dem Titel „Du gehst vorbei“ ihre erste Schallplatte aufgenommen.

Danach ließ der Erfolg nicht auf sich warten. „Ich habe einen großen Teil davon in der DDR erlebt. Das zu erwähnen ist mir sehr wichtig. Ich habe mich bei euch sehr wohlgefühlt, viele Freunde gefunden. Mit Frank Schöbel habe ich noch eine ganz enge Verbindung. Er hat die Musik für meinen Jubiläums-Titel ,Dankeschön‘ geschrieben.“ Ihren ersten Auftritt hatte sie in Görlitz. Die DDR-Fernsehzuschauer erlebten das temperamentvolle Schwedenmädel zum ersten Mal in der Silvestersendung 1967/68. „Ich habe Tausende von Erinnerungen an diese Zeit“, sagt sie und schwärmt von den Konzerten im Friedrichstadtpalast, den Musiksendungen „Mit Lutz und Liebe“, „Klock 8, achtern Strom“ und „Ein Kessel Buntes“, in denen sie oft zu Gast war. Sie hatte sogar eine Fernsehshow, „Guten Abend, Nina Lizell“, und durfte als einzige Sängerin aus dem Westen eine LP in der DDR produzieren. Bekannte DDR-Schlagerkomponisten wie Arndt, Bause, Rudi Werion und Gerhard Siebholz komponierten für sie, Heinz Quermann und Dieter Schneider schrieben die Texte für ihre Hits. „Das war etwas sehr Schönes und Besonderes.“ Nina Lizell wird vom Publikum in Ost und West geliebt. „Ich bin vor allem durch Osteuropa getourt, war in der Sowjetunion, in Polen, in der CSSR und der DDR natürlich. In Bulgarien bin ich beim Schlagerwettbewerb Goldener Orpheus aufgetreten“, erzählt sie. Im Laufe der Jahre hat sie 90 Schallplatten aufgenommen, ist in 280 TV-Show aufgetreten und hat über 200 Radioaufnahmen produziert.

Man sieht der zierlichen Frau nicht an, wieviel Kraft in ihr steckt. Nach den Erfolgen kam eine schwere Zeit für die Sängerin. Nach ihrer Hochzeit mit einem isländischen Komponisten folgte sie ihm 1979 in die USA. Der Anfang vom Ende ihrer Ehe. 1981 kehrte sie mit den zwei Kindern Christian und Karina nach Schweden zurück. „Ich war als Sängerin weg vom Fenster. Niemand kannte mich mehr, als ich mich beim Fernsehen in Stockholm zurückmeldete. Aber ich musste arbeiten, um für meine Kinder zu sorgen.“ Musikredakteur verschaffte ihr Auftritte im Folketspark. Die Zeitungen schrieben über sie, und es ging langsam wieder los. „Aber davon konnte ich nicht leben und meine Kinder ernähren.“ Sie bekam die Chance, als Moderatorin beim Radio zu arbeiten. Nebenher machte sie eine Journalistenausbildung. „Ich habe mich bis zu Programmchefin hochgearbeitet“, erzählt Nina Lizell.

Sie hat 1994 ihre Firma Lizell Media Voice gegründet und startete 1996 in Deutschland ein erfolgreiches Comeback. Sie trat in Fernsehsendungen wie „Riverboat“ und „Musik liegt in der Luft“ auf. Shows und Galas führten sie in die Niederlande und in die Schweiz. Und immer wieder gern kommt sie in ihre „zweite Heimat“ im Osten Deutschlands, in der ihr die Menschen sehr nahe sind. „Sie bringen mir eine große Herzlichkeit entgegen, sind offen und interessiert an meinem Leben. Es ist ein anderes Publikum als im Westen“, erzählt mit viel Wärme in der Stimme. Kürzlich erst war sie musikalischer Gast der „600. Kofferradio“-Sendung von Siggi Trzoß. „Ich nehme es nicht für selbstverständlich, dass mich die Leute noch hören möchten ist ein großartiges Geschenk. Man muss sich entwickeln.“ In ihren neuen Liedern, Chansons und Balladen, spiegeln sich ihre Lebenserfahrungen.
Die Musik ist noch ein wichtiger Teil ihres Lebens. Aber glücklich machte sie vor allem ihre Familie. „Ich habe einen wunderbaren Sohn und eine ebenso wundervolle Tochter und fünf Enkelinder und bin eine sehr stolze Oma. Allein das ist zu schätzen.“ Für ihre Enkel hat sie eine Platte mit Kinderliedern aufgenommen. Seit einem knappen halben Jahr ist sie zudem verliebt. „Er ist Schwedens bester Manger und hat mir sehr geholfen. Wir hatten im Juli eine wunderbare Woche auf Mallorca. Er fängt alles erst an…“