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DEFA-Regisseur Egon Günther ist tot

Gestern, am  31. August, ist der Potsdamer Autor und Regisseur Egon Günther nach langer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren gestorben. In seinem Nachruf schreibt das Filmmuseum Potsdam. „Wir haben mit ihm einen der wichtigsten und erfindungsreichsten Regisseure des DEFA-Films verloren.“  Bekannt wurde Günther durch Verfilmungen wie „Lotte in Weimar“,Der Dritte“ und „Junge Frau von 1914“, alles Filme mit Jutta Hoffmann, seine bevorzugte Darstellerin. Über ihre Zusammenarbeit sagt sie: „Egon wusste, wie es geht.“  Für ihn war Veränderung gleichbedeutend mit Leben. Ohne Veränderung konnte er sich seine Arbeit nicht vorstellen. Unentwegt hat er – oft zum Leidwesen der Schauspieler  – die Drehbücher noch am Drehort umgeschrieben. So erlebte es Jutta Hoffmann in Krakow beim Drehen des Films „Die Schlüssel“ 1974.

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Jutta Hoffmann und Jaecki Schwarz 1974 im DEFA-Film „Die Schlüssel“ ©Icestorm/DEFA-Stiftung

Ein Film, der verboten wurde, wie vier Jahre später der Streifen „Ursula“ . Erlöst wegen seiner surrealistischen Bildsprache und freizügigen Szenen einen Skandal aus. Nach der Fernsehpremiere 1978 verschwand der Film sofort im sogenannten Giftschrank der DEFA. Egon Günther trat aus dem Verband der Film- und Fernsehschaffenden aus und folgt bald darauf einem Angebot in den Westen. Er kehrte erst nach der Wende nach Potsdam zurück.

Weiter heißt es in Nachruf: „Dem Filmmuseum Potsdam hat Egon Günther über Jahre die Treue gehalten, war Gast, Laudator, kritischer Gesprächspartner. Sein äußerliches Markenzeichen blieb die Jeansjacke, gleichsam das nach außen gekehrte Innere eines aufmüpfig jungen Geistes. Eine Szene seiner Arbeit: 1994 probte er mit Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „King Lear“. Er las, er schwieg laut, er dirigierte, er spielte an. Geprobt und gedreht wurde im kleinen Atelier des ehemaligen Dokumentarfilmstudios in Alt Nowawes. Der Darsteller des Lear war Rolf Ludwig, der langjährige Freund und einer seiner bevorzugten Schauspieler.

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Egon Günther mit Jutta Hoffmann bei den Dreharbeiten zu „Der Dritte“ Quelle: „Jutta Hoffmann Schauspielerin“

Der gebürtige Schneeberger hatte Pädagogik, Germanistik und Philosophie in Leipzig studiert und war seit 1958 bei der DEFA beschäftigt. Ihn interessierte die Gegenwart in der DDR – und genau dieser kritische, bisweilen extravagante Blick auf das aktuelle Leben machte seine Filme für die Oberen zu Verbotsobjekten: „Wenn du groß bist, lieber Adam“ wurde gar nicht erst fertiggestellt, geriet in die Mühlen des 11. Plenums der SED 1965, „Abschied“ kurz nach seinem Kinostart nicht mehr aufgeführt. Nach „Die Schlüssel“ verlegte sich Egon Günther auf das scheinbar unverfängliche Genre der Literaturverfilmungen, drehte 1975 „Lotte in Weimar“ mit Lillie Palmer und weitere Filme, die sich Leben und Werk von Johann Wolfgang Goethe zuwenden: die Klassik als Flucht und Chance, Brücken zur Gegenwart zu bauen. 1977 dann der Austritt aus dem Verband der Film- und Fernsehschaffenden und ein Jahr später die Übersiedlung in die Bundesrepublik.

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Egon Günther (r.) mit Rolf Ludwig am Set von „Stein“ ©Filmmuseum Potsdam

Mit „Stein“ kehrte Egon Günther 1990 zur kriselnden DEFA zurück, wiederum mit dem überzeugenden Rolf Ludwig in der Hauptrolle. 1999 folgte sein letzter Spielfilm „Die Braut“ – und alles andere als nebenbei arbeitete er mit seinen Studenten an der HFF.

Im Rahmen der Film- und Veranstaltungsreihe „Junger Werther, neuer Werther“ zur Weimarer Klassik im Film vom 6. – 15. Oktober 2017 würdigt das Filmmuseum Potsdam Egon Günther. Er bleibt für uns unvergessen.