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Morten Grunwald – der ewige Benny. Die Olsenbande wird 50!

Dieser Tagen im Juli 1968 gingen im Kopenhagener Vorort Valby die Dreharbeiten für den ersten Coup der „Olsenbande“ zu Ende. Wer erinnert sich nicht: Nach einem missglückten Einbruch in ein Zigarrengeschäft wandert Egon Olsen ins Kittchen und kommt nach zwei Jahren mit einem „genialen“ Plan wieder raus. Mit Werkzeugen wie Wollknäuel, Stricknadel und Kaugummi will er mit seinen Kumpels Kjeld Jensen und Benny Frandsen das Nationalmuseum um einen kostbaren Schatz „erleichtern“ . Alle drei träumen vom großen Geld. Sie haben die Nase voll von ihrem eintönigen Alltagsleben, dem Malochen, wenn sie gerade mal einen Job haben. Ab in den Süden und es sich gut gehen lassen – das ist ihr Ziel. Egon Olsen, Gentlemanverbrecher, erfindungsreich und Perfektionist, ist Chef und Namensgeber der Olsenbande. Seine Spezialität ist das Knacken von Tresoren, wozu er nicht mehr braucht als ein Stethoskop und Fingerspitzengefühl am Zahlenschloss. Sie tricksen den tollpatschigen Polizei-Assistenten Mortensen und den schießwütigen Provinz-Sheriff aus. Trotzdem landet Egon am Ende wieder hinter Gittern und kann neue Pläne schmieden.

Morten Grunwald
Morten Grunwald (Benny Frandsen in Filmreihe „Die Olsenbande“ am 5. April 2018 zu Besuch in der dänischen Botschaft in Berlin © Uwe Toelle/SUPERillu

In Dänemark klingelten die Kinokassen nur so, denn das Gauner-Trio hatte die Herzen des Volkes erobert. Ein Millionen-Coup für die Produktionsfirma Nordisk Film und Start für dreizehn weitere, von Drehbuchautor und Spezialeffekte-Mann Henning Bahs und Regisseur Erik Balling ausgetüftelte Kriminalkomödien, wie es sie seit Chaplins Zeiten nicht mehr gab. Ove Sprogøe (Egon Olsen), Morten Grunwald (Benny) und Poul Bundgaard (Kjeld) erlangten als Protagonisten der „Olsenbande“ weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus Kultstatus. Sprüche wie Egons „Ich habe einen Plan“ oder Bennys „Mächtig gewaltig, Egon“ sind geflügelte Worte geworden. Insbesondere in der ehemaligen DDR.

Morten Grunwald
Ein kariertes Sakko trägt Morten Grunwald immer noch. Die gelben Socken sind passé ©Uwes Tölle/SUPERillu

Ich traf Morten Grunwald bei einer Talkshow in der dänischen Botschaft. Für Millionen Fans wird der Schauspieler und Theaterleiter immer Benny sein, der lange Kerl mit dem braunkarierten Sakko und den gelben Socken unter Hochwasserhosen, der als unbekümmerter Bruder Lustig linkisch hinter seinem Chef Egon herhüpft.

Herr Grunwald, 50 Jahre Olsenbande, mit welchen Gedanken blicken Sie zurück?
Damals hat keiner von uns geahnt, dass unsere Arbeit eine solche Erfolgsgeschichte werden würde, denn der zweite Film, „Die Olsenbande in der Klemme“, brachte nicht den gleichen Erfolg. Für einen neuen Versuch fehlte Geld. 1971 ging es weiter. Mit der genialen Filmkulisse und der Geschichte „Die Olsenbande fährt nach Jütland“ haben sich Bahs und Balling selbst übertroffen. Von da an wartete das Publikum sehnsüchtig auf eine Fortsetzung im nächsten Herbst. Es stimmt mich wehmütig, dass fast alle, die an den Filmen mitgewirkt haben, nicht mehr unter uns weilen.

Morten Grunwald
Morten Grunwald gibt in der dänischen Botschaft in Berlin Autogramme ©Uwe Tölle/SUPERillu

Eine Zäsur gab es 1974. Mit dem sechsten Streich sollte die Reihe enden.
Sechs Filme lang war die Olsenbanden-Saga bis ins Kleinste erzählt. Wir Drei – Ove, Poul und ich – waren darauf gefasst, dass Schluss ist. Dann brachte Balling das Manuskript für „Die Olsenbande stellt die Weichen“. Ein programmatischer Titel. Es gab fortan Schauplätze, die den Autoren Platz für Parodien und Satire boten.

Wie ist die „Olsenbande“ überhaupt entstanden?
Die Idee hatte Hennig Bahs schon im Kopf, als wir 1967 in Piräus die Filmkomödie „Martha“ drehten. Bei Nachtaufnahmen skizzierte er die Geschichte von drei Gaunern, die in Valby leben. Kleine Leute, die, komme, was wolle, reich werden wollten. Balling und Bahs hatten für die Rollen von Anfang an Ove, Poul und mich im Auge, weil wir gut harmonierten, und schnitten die Charaktere auf uns zu. So war es für uns nicht schwierig, in die Figuren zu schlüpfen.

Morten Grunwald
 Morten Grunwald ließ uns hinter die Kulissen blicken ©Uwe Toelle/SUPERillu

Wie war das Arbeiten?
Völlig unkompliziert. Wenn wir morgens nach Valby kamen, brachte Ove auf seinem Fahrrad eine Karton mit Pfannkuchen vom Bäcker mit. Manchmal gab es in Ballings Büro einen Schnaps. Ove war sehr humorvoll. Es schmerzte ihn, dass Balling ihm als Egon nicht ein bisschen davon gönnte. Poul hingegen war wie Kjeld, der gute Freund, der Wogen glättete, aber auch losschimpfen konnte.

Was verbindet einen Theatermann wie Sie mit dem fröhlich hüpfenden, tänzelnden Benny?
Ich fühlte mich in der Rolle wie ein Fisch im Wasser. Es war ein unbeschwertes und anregendes Arbeiten. Das ganze Gegenteil meines Theaterlebens. Als Schauspieler, Regisseur und Intendant musste ich immer auf mehreren Hochzeiten tanzen, hatte Hindernisse zu überwinden. Benny hat eine Gabe glücklich zu sein, um die man ihn beneiden kann. Ich habe ihn geliebt, aber manche Szenen kosteten mich Überwindung. Zum Beispiel als er in der Spielzeugfabrik an Bälle klopft, die dann komische Laute von sich geben. Oder als er Lachdosen verkaufen sollte. Da hatte ich ziemlich zu schlucken. Doch wer zu Balling kam, musste in Topform sein. Also habe ich meine gute Laune mobilisiert und mich hineingestürzt.

Morten Grunwald
©Uwe Tölle/SUPERillu

Die Olsenbande hatte Millionen Fans in der DDR. Waren Sie eigentlich mal da?
Ja, DDR-Fernseh-Intendant Heinz Adameck hatte uns für den 26. Dezember 1982 persönlich zur „Nacht der Prominenten“ eingeladen, uns Kaviar und Krim-Sekt geschickt, damit wir auch wirklich kommen. Wir kamen alle drei in unseren Kostümen, liefen das Manegenrund im Zirkus ab und gingen dann auf eine Bühne, wo ein riesiger Tresor stand – natürlich ein Modell Franz Jäger. Egon hat ihn geknackt, und da sprangen unsere Synchronsprecher heraus. Damals lernte ich meine Synchronstimme, den Schauspieler und Kabarettisten Karl-Heinz Oppel, kennen. Wir waren uns sympathisch. Ich finde bis heute, dass die Filme durch die hervorragende DEFA-Synchronisierung sehr gewonnen haben. Ich sagte damals: „Die Dialoge sind besser als im Original.“

Morten Grunwald
Morten Grunwald signiert ein Portät seines zweiten Ichs ©Uwe Tölle/SUPERillu

Wie war die Begegnung mit ihren Fans in der DDR?
Das war unglaublich. Wo wir gingen und standen, überall kamen die Menschen auf uns zu. Und im Café durften wir nicht mal unseren Kaffee selber bezahlen. Wir sind dann natürlich auch über den Checkpoint Charlie nach Westberlin gegangen, und da hat sich niemand für uns interessiert. Das brachte uns wieder auf den Boden der Tatsachen.

Was haben die Filme für Ihre Karriere bedeutet?
Ich habe nicht den Eindruck, dass „Die Olsenbande“ etwas Spezielles in meinem Leben bewirkt hat. Es war, wie Poul Bundgaard (Kjeld) sagte: „Wir haben auch anderes gemacht. Natürlich waren es insgesamt 14 Olsenbanden-Filme, die wir gedreht haben, und sie haben einen Teil meines Arbeitslebens ausgemacht. Aber es gibt noch so vieles mehr. Ich habe in 73 anderen Filmen mitgewirkt. Ich habe Theater gespielt, inszeniert. Ich war oft zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Manchmal war es so ein Glücksumstand als würde man in die Nationalmannschaft gewählt.

Als die Kirsten Walther, die Darstellerin der Yvonne, 1987 starb, war die Filmreihe beendet. Trotzdem haben Sie 1998 noch einmal einen Film gedreht. Wie kam das?
Als wir 1996 in unseren Kostümen in Kjelds Wohnzimmer saßen, weil wir mit unserem alten Regisseur Erik Balling einen Werbefilm für einen dänischen Energieversorger gedreht hatten, „Der Energiesparplan der Olsenbande“, fühlten wir uns so, als hätten wir uns erst am Tag zuvor verabschiedet. Nach zwei Tagen waren wir fertig, guckten uns fragend an: Und was wir morgen?  – Am besten einen Film, kam es wie aus einem Munde. Wir brauchen ja nur eine Packung Kaugummi, eine Rolle Garn – und drei Rollstühle (lacht). Das inspirierte Balling zu einer neuen Geschichte: Egon ist senil geworden und in psychiatrischem Gewahrsam gelandet. Er denkt sich immer groteskere Pläne aus, die sorgfältig protokolliert und in einem „Institut für theoretische Kriminalität“ , das Bahs erfand, aufbewahrt werden. Wir sind zwar alle alt geworden, aber die Gesellschaftssatire steckt uns noch immer im Blut. Am 18. Dezember 1998 hatte der Film in Dänemark Premiere.

Morten Grunwald
 ©Uwe Tölle/SUPERillu

Was war Ove Sprogoe für ein Mensch?
Ove war ein sehr besonderer Freund, ein großer Teil meines Arbeitslebens. Wir kannten uns über 40 Jahre und haben mehr als 40 Filme und Theaterproduktionen zusammen gemacht. So wie Ove arbeitete war, er selbst. Was ihn auszeichnet, Temperament, Liebe zu seinen Mitmenschen, er war sehr sozial, ein großer Humanist, und er hatte einen sehr warmen Humor. Diese warme gute Laune war die Grundlage seines Charakters.

Heute kommuniziert man viel übers Internet, Facebook, twittert. Haben Sie da Berührungsängste?
Nein, ich nutze das Internet. Vor allem dann, wenn ich etwas über Menschen wissen will, die mich interessieren. Auf der Leipziger Buchmesse 2012 habe den Autor Uwe Tellkamp kennengelernt, ein großer Olsenbanden-Fan. Neulich war ich Harold-Pinter-Filmseminar und habe erlebt, wie er in seinen eigenen Filmen gespielt hat. Ich war ganz begeistert. Im Internet findet man sehr lange Filmsequenzen mit ihm. Harold Pinter war ein britischer Theaterautor und Regisseur, Literaturnobelpreisträger. Er starb 2008.

Sie tragen ein Metallarmband am rechten Handgelenk. Was bedeutet das?
Das ist ein Silberarmband mit der Gefangenen-Nummer 6 66 4 von Nelson Mandela. Diese Armbänder werden weltweit verkauft und der Erlös geht in die Nelson-Mandela-Foundation zur Bekämpfung von Aids. Die Foundation hat weltweit Botschafter. In den USA ist das Morgan Freeman, in Dänemark gehöre ich mit drei anderen Prominenten dazu. Mandela ist für mich eine der wenigen großen Persönlichkeiten, die die Welt zu einen besseren Ort gemacht haben. Deshalb unterstütze ich seine Stiftung.

Morten Grunwald
©Uwe Tölle/SUPERillu

Sind Sie ein eher ernster oder frohgemuter Charakter?
Sowohl als auch. Allerdings hüpfe ich nicht wie Benny vor Freude. Das ist nicht unbedingt charakteristisch für mich. Balling beobachtete meine Theaterarbeit, und mit den Jahren fügte er Bennys Bewunderung für Egons Ideen kritische Nuancen hinzu. Ich durfte skeptisch sein.

Die Olsenbande wollte reich werden. War das auch Ihr Traum?
Naja, ich bin der glücklichen Lage, dass ich solche Träume nicht zu haben brauchte. Ich war unglaublich privilegiert. Vom Abschluss der Schauspielschule an hatte ich keinen freien Moment. Ich hatte immer eine wunderbare Arbeit, immer zu tun. Ich habe meine große Liebe, die Schauspielerin Lily Weiding, geheiratet, habe Kinder, Enkel, ein Haus, Bilder, Bücher… dafür bin ich dankbar. Und ich teile dieses Glück, in dem ich den Menschen mit meiner Arbeit Freude mache.

Morten Grunwald
Morten Grunwald wurde am 9. Dezember 1934 im dänischen Odense geboren ©Uwe Tölle/SUPERillu

Ihre Frau hat Ihnen vor fast 20 Jahren das Leben gerettet.
Ich wog 40 Kilo mehr als heute und litt an Diabetes II. Hätte meine Frau nicht darauf gedrungen, dass ich meinen Le­­bens­­stil ändere, gäbe es mich nicht mehr. Wir haben das in den Griff bekommen, doch die Krankheit lauert wie eine Kobra im Körper. Sie kann jederzeit zuschlagen, wenn ich nicht aufpasse.

War das ein Grund, sich 2017 vom Theater zu verabschieden?
Wenn man alt wird, ich bin 83, gibt es Einschränkungen. Ich kann die physischen Anforderungen, die die Bühne verlangt, nicht mehr bedienen. Aber eine angemessene Filmrolle würde ich gern annehmen.

Kulturtipp:

Vom 4. Juli 2018 bis 17. Februar 2019 zeigt das Filmmuseum Potsdam die Sonderausstellung „Mächtig gewaltig. Die Olsenbande im Museum“ . Zu bestaunen sind originale Exponate aus den Filmen, die Akteure  Egon, Kjeld, Benny und Yvonne werden vorgestellt, ebenso die Menschen hinter der Kamera.

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Die Olsenbande eruiert im Filmmuseum Potsdam die Lage: Egon (Ove Sprogøe), Kjeld (Poul Bundgaard) und Benny (Morten Grunwald)  ©Michael Lüder/FMP

Das kleine, feste Team um Drehbuchautor und Spezialeffekte-Erfinder Henning Bahs und Regisseur Erik Balling spielte eine wichtige Rolle im dänischen Kino und Fernsehen. Sie produzierten weit mehr, als nur die „Olsenbanden“-Filme. Ein hauptsächlicher Fokus der Ausstellung widmet sich der Frage, wie die dänischen Filme ein Teil der ostdeutschen Identität werden konnten. An ihre ungeheure Medienpräsenz in der DDR, weit über die Olsenbanden-Filme hinaus, wird die Ausstellung ebenso erinnern.

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Vom 4. Juli 2018 – 17. Februar 2019 ist „Die Olsenbande“ im Filmmuseum Potsdam ©Michael Lüder/FMP

An allererster Stelle steht jedoch der familienfreundliche, große Spaß, den die Filme auch heute immer noch bereiten. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Kunsthalle Rostock und unendlich vielen Leihgebern aus Dänemark und Deutschland. Ein umfassendes Begleitprogramm mit einer Retrospektive aller Teile in Kooperation mit dem rbb Fernsehen und ein Konzert mit Jes Holtsø, dem ehemals kleinen Børge sind geplant, auch einige Macher werden zu Gast im Filmmuseum sein.

De Olsenbande kommt nach Potsdam

DEFA-Regisseur Egon Günther ist tot

Gestern, am  31. August, ist der Potsdamer Autor und Regisseur Egon Günther nach langer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren gestorben. In seinem Nachruf schreibt das Filmmuseum Potsdam. „Wir haben mit ihm einen der wichtigsten und erfindungsreichsten Regisseure des DEFA-Films verloren.“  Bekannt wurde Günther durch Verfilmungen wie „Lotte in Weimar“,Der Dritte“ und „Junge Frau von 1914“, alles Filme mit Jutta Hoffmann, seine bevorzugte Darstellerin. Über ihre Zusammenarbeit sagt sie: „Egon wusste, wie es geht.“  Für ihn war Veränderung gleichbedeutend mit Leben. Ohne Veränderung konnte er sich seine Arbeit nicht vorstellen. Unentwegt hat er – oft zum Leidwesen der Schauspieler  – die Drehbücher noch am Drehort umgeschrieben. So erlebte es Jutta Hoffmann in Krakow beim Drehen des Films „Die Schlüssel“ 1974.

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Jutta Hoffmann und Jaecki Schwarz 1974 im DEFA-Film „Die Schlüssel“ ©Icestorm/DEFA-Stiftung

Ein Film, der verboten wurde, wie vier Jahre später der Streifen „Ursula“ . Erlöst wegen seiner surrealistischen Bildsprache und freizügigen Szenen einen Skandal aus. Nach der Fernsehpremiere 1978 verschwand der Film sofort im sogenannten Giftschrank der DEFA. Egon Günther trat aus dem Verband der Film- und Fernsehschaffenden aus und folgt bald darauf einem Angebot in den Westen. Er kehrte erst nach der Wende nach Potsdam zurück.

Weiter heißt es in Nachruf: „Dem Filmmuseum Potsdam hat Egon Günther über Jahre die Treue gehalten, war Gast, Laudator, kritischer Gesprächspartner. Sein äußerliches Markenzeichen blieb die Jeansjacke, gleichsam das nach außen gekehrte Innere eines aufmüpfig jungen Geistes. Eine Szene seiner Arbeit: 1994 probte er mit Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „King Lear“. Er las, er schwieg laut, er dirigierte, er spielte an. Geprobt und gedreht wurde im kleinen Atelier des ehemaligen Dokumentarfilmstudios in Alt Nowawes. Der Darsteller des Lear war Rolf Ludwig, der langjährige Freund und einer seiner bevorzugten Schauspieler.

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Egon Günther mit Jutta Hoffmann bei den Dreharbeiten zu „Der Dritte“ Quelle: „Jutta Hoffmann Schauspielerin“

Der gebürtige Schneeberger hatte Pädagogik, Germanistik und Philosophie in Leipzig studiert und war seit 1958 bei der DEFA beschäftigt. Ihn interessierte die Gegenwart in der DDR – und genau dieser kritische, bisweilen extravagante Blick auf das aktuelle Leben machte seine Filme für die Oberen zu Verbotsobjekten: „Wenn du groß bist, lieber Adam“ wurde gar nicht erst fertiggestellt, geriet in die Mühlen des 11. Plenums der SED 1965, „Abschied“ kurz nach seinem Kinostart nicht mehr aufgeführt. Nach „Die Schlüssel“ verlegte sich Egon Günther auf das scheinbar unverfängliche Genre der Literaturverfilmungen, drehte 1975 „Lotte in Weimar“ mit Lillie Palmer und weitere Filme, die sich Leben und Werk von Johann Wolfgang Goethe zuwenden: die Klassik als Flucht und Chance, Brücken zur Gegenwart zu bauen. 1977 dann der Austritt aus dem Verband der Film- und Fernsehschaffenden und ein Jahr später die Übersiedlung in die Bundesrepublik.

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Egon Günther (r.) mit Rolf Ludwig am Set von „Stein“ ©Filmmuseum Potsdam

Mit „Stein“ kehrte Egon Günther 1990 zur kriselnden DEFA zurück, wiederum mit dem überzeugenden Rolf Ludwig in der Hauptrolle. 1999 folgte sein letzter Spielfilm „Die Braut“ – und alles andere als nebenbei arbeitete er mit seinen Studenten an der HFF.

Im Rahmen der Film- und Veranstaltungsreihe „Junger Werther, neuer Werther“ zur Weimarer Klassik im Film vom 6. – 15. Oktober 2017 würdigt das Filmmuseum Potsdam Egon Günther. Er bleibt für uns unvergessen.

Filmtag mit Rolf Losansky

Am 15. September verstarb im Alter von 85 Jahren der Regisseur Rolf Losansky. Mehr als dreißig Jahre hat er Filme für Kinder und Jugendliche gedreht. „Ein Schneemann für Afrika“, „Moritz in der Litfaßsäule“ oder „… verdammt, ich bin erwachsen!“ begeisterten ein großes Kinopublikum. Das Filmmuseum Potsdam lädt am 3. Dezember zu einem fröhlichen Beisammensein mit Weggefährten, Freunden und der Familie ein.

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Regisseur Rolf Losansky mit Andreas Bieber und Marlene Marlow 2013 in Langerwisch, wo „Hans im Glück“ entstand. Foto: Boris Trenkel

Für Kinder läuft um
14:30 Uhr  „WIE MAN EINE KUH REITET“
Making Of „Hans im Glück”, 1999, Dok., R: Konstanze Weidhaas, ORB
15:00 Uhr  HANS IM GLÜCK, 1998,
Regie: Rolf Losansky
Die erfrischende Filmadaption des gleichnamigen Grimm-Märchens war Rolf Losanskys letzte abendfüllende Regiearbeit.

 

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Filmszene aus „Abschiedsdisco“  Quelle: Ost-Film

17:00 Uhr  „ABSCHIEDSDISCO“
Regie: Rolf Losansky, 1990, Darsteller: Holger Kubisch, Jaecki Schwarz
Inhalt: Henning ist erst fünfzehn Jahre alt, als seine erste Freundin stirbt. Um in Ruhe zu trauern, besucht er seinen Großvater, der als einer der letzten am Rande eines Braunkohlegebietes lebt, wo Bagger die Landschaft immer weiter abtragen. Henning durchstreift die verlassene Gegend und begegnet verlorenen Gestalten. Nachdenklich studiert er die sterbende Umgebung und pflanzt am Ende symbolisch einen Baum.

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Holger Kubisch als Henning in »Abschiedsdico“. Quelle: Ost-Film

Den Stoff wollte Rolf Losansky bereits 1983 verfilmen, doch wurde das Szenarium wurde durch die Hauptverwaltung Film abgelehnt. Hintergrund: Die ökologischen wie auch sozialen Auswirkungen des Braunkohlentagebaus galten lange als Tabu.  Auch 1986 konnte Rolf Losansky das  vorgelegte Drehbuch nicht realisieren.  Abschiedsdisco gehörte zu einer Reihe von Filmen, die nach längerer Verbotszeit im Jahr 1989 umgesetzt werden durften. „Damit war natürlich die Brisanz verpufft“, sagte der Regisseur in einem Interview später.

Ort:
Filmmuseum Potsdam
Breite Str. 1a/ Marstall
14467 Potsdam
Tel: 0331-27181-12, ticket@filmmuseum-potsdam.de