„Tambari“ – Eine seltene Freundschaft

Das Filmmuseums Potsdam hat für sein Mai-Programm mit „Tambari“ einen der schönsten DEFA-Kinderfilme ausgegraben.  Er entstand 1977 unter der Regie von Ulrich Weiß nach Benno Pludras gleichnamigem Roman. Der  Schwarzweißfilm erzählt die Geschichte von der kurzen Freundschaft eines Jungen und eines alten Mannes und dessen Kutter „Tambari“.

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Fuhrmann Kaßbaum (Kurt Böwe) trank gern einen über den Durst. Die Kinder finden ihn auf der „Tambari“ ©DEFA-Stiftung/Norbert Kuhröber

Inhalt
Eigentlich haben alle gedacht, er wäre schon längst tot. Doch nach 50 Jahren kehrt Luden Dassow in sein Heimatdorf Koselin an der Ostsee zurück.  Um die ganze Welt ist er mit seinem Zeesenboot „Tambari“ gesegelt. Ablehnung schlägt ihm entgegen. Nur der junge Jan Töller, Sohn des Fuhrmanns Heinrich, freundet sich mit dem alten Seebären an, begleitet ihn zum Fischen und lässt sich von ihm von seinen Abenteuern erzählen. Gemeinsam verbringen sie viel Zeit auf der kleinen „Tambari“ , die Luden nach einer Insel im Pazifischen Ozean benannt hat.  In dem strengen Meerwinter stirbt der alte Freund. Kurz vor seinem Tod hatte er seinen geliebten Zweimaster den Fischern vermacht, unter der Bedingung, dass sie das Boot nie verkaufen. Sie haben kein Interesse daran und lassen die „Tambari“ verrotten.  Die Fischer plagen Sorgen, haben sie doch ein schlechtes Fangjahr, ein Sturm zerstörte ihre Reusen. Trotz des Spotts der Großen macht Jan mit einigen Freunden das Boot wieder seeflott. Hilfe bekommen sie von Fuhrmann Kaßbaum. Doch dann steht Ärger ins Haus. Die Fischer wollen nach einer erneuten Fangpleite die „Tambari“ zu Geld machen… 

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Die Fischer mögen den alten Weltumsegler Luden Dassow (Erwin Geschonneck) nicht ©DEFA-Stiftung/ Norbert Kuhröber

Poetisch und doch dokumentarisch genau beschreibt  Regisseur Ulrich Weiß die Gefühlswelt des Jungen und das raue Leben im Fischerdorf.  „Tambari“ ist sein Spielfilmdebüt.  Ihm zur Seite standen der großartige Erwin Geschonneck als Luden Dassow und Kurt Böwe als gutmütiger Fuhrmann Kaßbaum.
Gedreht wurde unter anderem in Kamminke und der dortigen Bar Kellerberg, in der die Anfangs- und Endszenen des Films in der Fischerkneipe entstanden, am Schwielowsee, auf Rügen und in Greifswald. „Tambari“ erlebte am 8. Juli 1977 auf der Freilichtbühne des Zentralen Pionierlagers „Alexander Matrossow“ bei Bad Saarow seine Premiere. Die Instrumentalstücke im Film werden von Uschi Brüning und Annerose Dubé stimmlich untermalt.

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Jan (Frank Reichelt) und sein Vater Heinrich Töller (Hans-Peter Reinicke) sehen die kaputten Reusen ©DEFA-Stiftung /Norbert Kuhröber

Tambari
läuft am 5. Mai, um 19:00 Uhr
Regie: Ulrich Weiß.
Darsteller:  Erwin Geschonneck, Frank Reichelt, Hans-Peter Reinicke, Barbara Dittus
Ort:
Kino des Filmmuseums Potsdam,
Breite Str. 1a (Marstall)
14467 Potsdam
Kartenreservierung
Tel.: 0331-27181-12, 
ticket@filmmuseum-potsdam.de

Der Kinderbuchautor Benno Pludra, der 2014 mit 88 Jahren in Potsdam verstarb, liebte diese Geschichte ganz besonders. Auch er sehnte sich als Kind nach fernen Ländern, er liebte das Meer. Fast alle seine Erzählungen und Romane spielen daher an der Küste, erzählen von Abenteuern auf dem Meer, von der Seefahrt und Fernweh. Kinder werden zu Entdeckern. Seinen Traum von der See wollte er sich als Seemann erfüllen. Mit 17 Jahren ging er zur Handelsmarine, besuchte die Seemannsschule und absolvierte auf dem Segelschulschiff Padua als Schiffsjunge eine Matrosenausbildung. Das war mitten im II. Weltkrieg.

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Benno Pludra im Dezember 2002 in einem Interview mit Bärbel Beuchler: „Die Padua war eine Viermastbark, das größte Segelschiff der Reederei Ferdinand Laeiß in Hamburg. Wir lagen den ganzen Winter vor Stettin, um die Sicherheitsmelder gegen Minen einzubauen. Dann wurden wir im Mai 1943 von einem Dampfer nach Riga geschleppt. Das ist doch Wahnsinn, dachte ich damals. Es tobte ja schon die letzte große Schlacht am Kursker Bogen. Wir hatten Angst, von den Russen beschossen zu werden. Aber es kam nur ab und zu mal ein Flieger. Wir segelten in der Bucht als wäre Frieden.“

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Benno Pludra signiert seine Bücher auf dem Basar der Journalisten auf dem Berliner Alexanderplatz

Nach seiner Matrosenprüfung musterte er im Sommer 1944 von der Padua ab und heuerte auf einem Frachter an, der „Ditmar Koel“. Mit großem Geleitzug von 10 bis 15 Schiffen liefen sie nach Norwegen aus.  Benno Pludra: „Wir lagen in der Buch von Bordo. Ich stand an Deck, sah so auf die Berge und dachte : Was spritzt denn da im Wasser so. Dann sah ich die Flugzeuge über die Berge kommen, die mit ihren Bordkanonen schossen. Die Spritzer waren Einschläge. Wir nahmen das erst gar nicht für voll, schossen  zurück. Dabei starben zwei unserer Leute.“ Am 7. Dezember 1944 wurde die „Ditmar Koel“, beladen mit Erz, bei Longerok von einem Torpedo getroffen, den norwegischen Widerstandskämpfer abgeschossen hatten. Benno Pludra: „Es knallte, als ob jemand mit einem Knüppel auf Blech hat. Im selben Moment war Achtern schon unter Wasser“, erinnerte sich Benno Pludra. „Wir ließen das Rettungsboot zu Wasser, aber Angst und Panik waren so groß, dass die Ersten schon drin saßen, als das Boot an einer Seite noch am Seil hing und das Schiff noch eigene Fahrt hatte. Ich stieg wieder aus, mein Freund Fiete kam nach. Als wir auf dem Heck standen, bäumte sich der Dampfer auf und sank. Ich sackte unter Wasser und hatte kein Empfinden, ob das es warm oder kalt war. In dem Gefühl, du gehst tot, du wirst ersaufen, dachte ich: Jetzt kriegen die anderen das ,Absaufpäckchen‘ mit Schnaps, Zigaretten, Seife, Zahnbürste. Aber ich hatte keine Angst, dass ich sterbe. Und mit einem Mal mal guckte ich oben raus, sah das Rettungsboot und Fiete ein Stück weiter im Wasser. In dem Moment, als ich erleichtert dachte: Nun kann nichts mehr passieren, ging ich wieder unter, kam hoch, ging wieder unter, bis uns die anderen ins Boot zogen.“

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Benno Pludra 1960 auf seinem Segelboot „Mobby Dick“ ©privat

Angst und Entsetzen kamen dem damals 19-Jährigen erst im Nachhinein. Damals begannen seine Haare weiß zu werden.  Viele Jahre später erzählt seine Erlebnisse in dem spannenden Roman „Aloa-hé“.
Seine Liebe zur See ist immer geblieben. Jeden Sommer verbrachte er später, schon Schriftsteller und Vater zweier Söhne, auf der Insel Hiddensee und fuhr mit seinem Boot hinaus auf die Ostsee. „Ohne das Meer wäre ich ein halber Mensch gewesen“, sagte er.

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