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Emöke Pöstenyi war der Star des Fernsehballetts

Das hätte sie sich nie träumen lassen: Zur diesjährigen Gala „Goldene Henne 2017“  am 13. Oktober wurde Emöke Pöstenyi die Goldene Ehrenhenne „Helga Hahnemann“ (nach der beliebten Entertainerin wurde Deutschlands größter Publikumspreis benannt) verliehen. 

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Emöke Pöstenyi mit ihrer Ehrenhenne „Helga Hahnemann“ in Leipzig c/o SUPERillu

Sie kam am 15. März 1942 im schönen Budapest zur Welt. Und mit Achtzehn hat Emöke Pöstenyi ihre Heimat verlassen. Dass es für immer sein würde, hat sie nicht geahnt. Gemütlich bummelt sie mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase durch das thüringische Meiningen. „Hier hatte ich am Theater mein erstes Engagement als Tänzerin“, sagt sie am Telefon, als ich ihr gratuliere. Als wir vor zwei Wochen miteinander sprachen, wusste sie noch nicht, wohin ihr Geburtstag-Trip gehen soll. Die Ablenkung tut ihr gut. Anfang des Jahres ist ihre Schwester gestorben. Aus heiterem Himmel, im Schlaf. Keiner weiß, warum. Das hat sie sehr niedergeschlagen.

484641Die ungarische Tänzerin und ihre vier Jahre jüngere Schwester wuchsen im Villenviertel von Buda auf. „Ich erinnere mich ganz farbig und lebendig an unsere Kindheit. Besonders jetzt sehe ich vor mir, wie wir gelebt haben, was wir gespielt haben“, erzählt Emöke. In ihrem Kinderzimmer hingen Ringe und ein Trapez, an dem die Mädchen herumturnten. „Meine Mutter hat uns beide dann zum Ballett geschickt. Ich hatte viel Spaß am Tanzen aber nicht im Sinn, dass das einmal mein Beruf werden könnte.“ Das ergab sich 1960 durch Zufall. Die DDR suchte im Ausland an Ballettschulen tänzerischen Nachwuchs für ihre Theater, weil die eigenen Leute in der Westen abgehauen waren. Emöke bekam ein Angebot nach Meiningen. „Das passte gut, ich war gerade mit dem Abitur fertig.“

Zwei Jahre Deutsch lernen, dann in Budapest weiter studieren – das war die Absprache mit der Mutter. Aber es wurde ein Daueraufenthalt mit einer erfolgreichen Laufbahn beim DDR-Fernsehballett, das sie 1962 mit gegründet hat, und dessen erfolgreichste Solotänzerin sie wurde. Und sie traf ihre große Liebe, den Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase.  Er war ein Schmucker, und ich bin bis heute von seinem Intellekt fasziniert“, schwärmt seine Frau. Aus einer durchtanzten Faschingsnacht sind 49 gemeinsame Jahre geworden. „Es ist schön, einen Partner zu haben, mit dem du dich über alles, was dich am Leben bewegt, was in Politik und Gesellschaft passiert, austauschen kannst. Auf den du dich jeden Tag freust und der sich auf dich freut.“ Die Basis ihres Lebens ist die Bereitschaft, die Autonomie des anderen gelten zu lassen, wie es Wolfgang Kohlhaase in einem Interview mit mir formuliert hat. „Wir waren mit unserer Arbeit weit genug von einander entfernt und nah genug, uns dafür zu interessieren“, sagt die Tänzerin und spätere Choreografin des Fernsehballetts.

Wolfgang Kohlhaase
1968 wurden Emöke Pöstenyi und der erfolgreiche Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ein Paar, seit 1975 sind sie verheiratet ©Handelmann

Bis heute ist Emöke Pöstenyi den Zuschauern im Osten der Republik als Tänzerin des glamourösen Duos mit Susan Baker gegenwärtig. „Das war sehr schön“, sagt sie, „aber für mich war die Arbeit als Choreografin, die ich danach fast 30 Jahre gemacht habe, wichtiger.“ Auch für das Fernsehballett. Dem Engagement seiner künstlerischen Leiterin verdankt es seine Weiterexistenz nach der Abwicklung des DDR-Fernsehens 1991. Die folgenden Jahre waren aufreibend mit dem ewigen Kampf um Engagements, Rentabilität. 2002 gab Emöke das Ballett ab und zog einen Schlussstrich unter diesen Teil ihres Lebens. Sie war 60 geworden und sehnte sich danach, ihren Tag nach Gutdünken zu gestalten, auszuschlafen. Seitdem ist Berlin weit weg und auch der Druck, früh um sieben Uhr aufstehen und die Idylle in Reichwalde verlassen zu müssen. Nichts treibt sie mehr. Sie hat ihren Garten, der sich unter ihren Händen von Wildwuchs zu einer blühenden Oase entwickelte. Sie hat ihre vier Katzen. Und sie entdeckte, was man mit Farbe aus Wurzeln, kurios gewachsenen Hölzern und Zweigen machen kann. „Es ist eine andere Art von Leben hier draußen, das uns immer wichtiger geworden ist. Die glücklichste Zeit meiner Kindheit verbrachte ich bei meinen Großeltern auf dem Dorf. Darauf habe ich mich zurückbesonnen. Ich möchte mit meinem Mann in Ruhe alt werden. Aber wir leben in einer gefährlichen Welt.“